Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
Vom Netzwerk:
Leuten, an denen er vorbeiging, klebten die Mobiltelefone wie ein drittes Ohr am Kopf. Als er seines hervorholte, fiel ihm ein, dass er Vernons Nummer nicht bei sich hatte und es ihm auch nichts nützen würde, die Auskunft anzurufen, weil Vernon nicht gelistet war. Trotzdem ermutigte ihn diese Aussicht auf ein Abendessen. Er steckte das Gerät wieder weg, bog in die Martin Lane ein und betrat das erstbeste Pub, das am Weg lag.
    Es war ein behagliches Lokal mit dunklen Holzvertäfelungen. Die wenigen Kunden hielt Jury für Stammgäste, vermutlich weil sie so entspannt in Grüppchen oder auch allein dasaßen.
    Er ließ sich auf einem Barhocker an der Theke nieder und bestellte, was im Ausschank war. Als er sein Bier bekam, hob ein Mann ein paar Stühle weiter sein Glas und prostete ihm zu. Jury nickte zurück und hob seinerseits das Glas. Er war froh, dass der Mann kein Gespräch anfing, denn wenngleich Jury sich gern mit einem Freund unterhalten hätte, war er auf belangloses Gerede mit einem Fremden nicht sehr erpicht. Die paar Gäste an der Bar saßen schweigend vor ihrem Glas, bis auf einen, der sich mit dem Barmann unterhielt. Zu fortschreitender Stunde würde sich dann wohl eine ausgelassenere Klientel einfinden.
    Er brauchte eine halbe Stunde, bis er seine zwei Bier getrunken und ein drittes bestellt hatte. Danach hatte er das Gefühl, dass sich seine Stimmung aufhellte. Was ihm für den Übergang von Rührseligkeit zu relativ klarer Gelassenheit jetzt noch fehlte, wäre eine Zigarette. Alle anderen pafften vor sich hin.
    Seine Gedanken wanderten wieder zu Declan Scott, der Jury telefonisch erklärt hatte, wie er bei dieser Verstellungsgeschichte mitgemacht hatte.
    »Wusste Flora denn, dass Sie Bescheid wussten?«
    »Lulu, meinen Sie?« Er lachte. »Nein, natürlich nicht. Sie müssen verstehen, sie brauchte das – diese Maskerade. Sie musste die Gewissheit haben, dass sie alle an der Nase herumführte, sie musste sich sicher fühlen. Und in der Rolle einer anderen Person fühlte sie sich sicher. Das war mir sonnenklar.«
    Jury erinnerte sich kopfschüttelnd. Ein Mann von wahrhaft James’scher Empfindsamkeit!
    Drüben an der Bar lachte der Barmann. In dem relativ stillen Lokal klang es fast heiser, wirkte irgendwie störend. Die wenigen Gäste hoben verwundert den Blick oder sahen fragend zu ihm hinüber. Jury gähnte. Zwei Bier hatten gereicht, das dritte war eigentlich nicht nötig gewesen. Gleich würde er davon einschlafen. Er fühlte sich ziemlich benommen. Der Gedanke brachte ihn zum Schmunzeln: Hier saß er nun, völlig anonym, ohne irgendwelche polizeilichen Aufgaben wahrnehmen zu müssen. Alles war zu einem Ende gekommen, alles außer seiner Zukunft, was ihn aber nicht sonderlich beunruhigte.
    Während er so dasaß und in sein drittes Pint starrte, kam ein neuer Gast herein und nahm wie selbstverständlich den Barhocker neben Jury ein. Er nickte ihm kurz zu und hielt dann zwei Finger hoch, was der Barmann mit einem Nicken quittierte.
    Der Mann war sehr gut gekleidet, schwarzer Kaschmirmantel, Schal und ein Anzug, der definitiv nicht von der Stange war. Außerdem trug er goldene Manschettenknöpfe. Der Whiskey des Fremden kam, worüber der jedoch nicht besonders glücklich schien. Jury vermutete, dass es nicht am Whiskey lag (den der Mann schnell hinunterkippte), sondern an etwas tiefer Liegendem.
    Der Barmann brachte die Flasche – mit dem teuren Zeug – und schenkte nach. »Na, wie steht’s, Mr. Johnson?«, erkundigte er sich mit einer gewissen Ehrerbietung oder vielleicht einfach Fürsorglichkeit.
    »Danke, Trev, gut.«
    Trev, der Barmann, lächelte und ging wieder zurück an die Theke.
    Jury hätte lieber nicht ihre Namen erfahren, die sich nun nämlich auf diese ihm bisher sehr behagliche kleine Insel der Anonymität eindrängten.
    Mr. Johnson zog ein silbernes Zigarettenetui hervor und nahm eine Zigarette heraus, die er mit einem silbernen Feuerzeug anzündete. Neidvoll beobachtete Jury die Geste.
    Dies fiel Johnson offenbar auf, der es korrekt interpretierte. »Möchten Sie eine? Ihre scheinen ausgegangen zu sein.«
    »Na, und ob die ausgegangen sind. Seit über zwei Jahren schon.«
    Der Mann lächelte. »Sie haben aufgehört, stimmt’s?«
    Jury nickte.
    »Wenn es Sie zu sehr stört, kann ich die Zigarette ausmachen.«
    So viel Rücksichtnahme überraschte Jury. »Nett von Ihnen, aber ich genieße es, passiv mitzurauchen.«
    Johnson lachte. »Ich habe versucht aufzuhören, schaffe es aber

Weitere Kostenlose Bücher