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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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wollte nicht einfach so hineinplatzen, verstehen Sie.«
    »Nicht einmal bei Ihrer Frau?«
    Declan lächelte. » Besonders nicht bei meiner Frau. Sie schätzte ihre Privatsphäre und hatte viel zu wenig davon. Es gab aber auch einen rein praktischen Grund: Ich hatte ihr zu Weihnachten ein Bild gekauft, was sie aber nicht wissen durfte. Außerdem«, fuhr er fort, »schienen die beiden so... so in ihr Gespräch vertieft, dass ich nicht stören wollte.« Er fuhr sich mit dem Daumen über die Stirn und rieb ihn hin und her, als wollte er einen Gedanken hineinpressen oder aber herauslocken. Er musterte Jury. »Vielleicht habe ich sie deshalb nicht unterbrochen. Die Situation erschien mir etwas merkwürdig. Mary wirkte nicht sonderlich glücklich. Ich beschloss einfach abzuwarten, bis sie es mir erzählte.«
    »Wie Sie der Polizei sagten, tat sie das aber nicht.«
    »Nein. Sie erwähnte es nicht einmal. Als ich es schließlich zur Sprache brachte, räumte Mary nur ein, die Frau sei eine alte Bekannte, eine ehemalige Schulfreundin. Von der Roedean School, die Mary besucht hatte. Sie nannte aber keinen Namen und ließ sich auch nicht weiter darüber aus. Wenn ich nicht gesagt hätte, ich hätte die Frau gesehen, hätte sie mir es wohl überhaupt nicht erzählt. Es war so beunruhigend, weil das Ganze auf einmal so etwas Heimlichtuerisches, Verschwiegenes hatte, und das war eigentlich nicht ihre Art. Sie war sonst immer sehr offen mit mir.«
    »War diese Frau nun eine Klassenkameradin?«
    »Keine Ahnung. Sie hat es nicht weiter ausgeführt.«
    »Sie muss im Leben Ihrer Frau eine wichtige Rolle gespielt haben.«
    »Warum?«
    »Weil sie ermordet wurde.« Das Gleiche hatte er zu Viktor Baumann gesagt.
    »Ja, natürlich.« Declan wirkte verdrossen, ungehalten über sich selbst. »Marys Heimlichtuerei bezüglich dieser Frau war eigentlich ein deutlicher Hinweis darauf, dass etwas an ihr wichtig war. Ich werde aus dem allem nicht schlau, Superintendent.« Seine Augen funkelten im Schein des Kaminfeuers. »Die Distriktspolizei durchsuchte sämtliche Habseligkeiten meiner Frau nach irgendeiner Verbindung zu dieser Frau. All ihre Papiere, ihre alte Korrespondenz – Mary bewahrte doch alles auf. Einmal flatterte ihr bei den Sachen, die sie trug, ein Stückchen Papier zu Boden, und ich hob es auf.« Er lehnte sich lächelnd zurück, als hätte diese Erinnerung etwas Tröstliches. »Es war ein alter Zettel, den ich ihr einmal vor einer Dinnerparty geschrieben hatte: ›Lass uns doch hingehen! Gilbert serviert Seezunge.‹ Können Sie sich vorstellen, dass jemand solchen Unsinn aufhebt?«
    Es war klar, dass der Zettel selbst vielleicht Unsinn war, nicht aber die Tatsache, dass er aufbewahrt worden war. Jury lächelte.
    »Es war schließlich kein Liebesbrief oder ein Ticket in die Karibik«, sagte Scott.
    Jury gefiel die Schlussfolgerung. »Für sie vielleicht schon«, meinte er lächelnd.
    Scott blickte zum Kamin hinüber, zum Feuer oder aber zu dem Foto auf dem Kaminsims.
    »Und die Polizei hat nichts gefunden?«, fragte Jury.
    »So viel ich weiß, nein. Dann entdeckten sie schließlich ihr Tagebuch, von dem ich geglaubt hatte, ich hätte es ziemlich gut versteckt. Ich hatte es im Wäscheschrank verstaut. Wer würde dort nach so einem Buch suchen?«
    »Die Kriminalpolizei.«
    Declans Lachen schien ihn zumindest vorläufig aus seiner melancholischen Stimmung zu locken. »Und ich hielt mich für verdammt clever. Ich konnte es einfach nicht ertragen, dass sie in ihrem Tagebuch lasen. Das verletzte doch ihre Privatsphäre.«
    »Stimmt. Bei Ermittlungen in einem Mordfall gibt es allerdings keine Privatsphäre. Stand in dem Tagebuch nichts über diese Frau? Nicht einmal über die zufällige Begegnung in dem Hotel?« Falls sie Zufall war, dachte Jury.
    »Offenbar nicht, die Polizei hat nichts gesagt.«
    »Haben Sie es denn nicht gelesen?«
    »Nein.«
    Ein Mensch, der es mit der Privatsphäre todernst meinte. »Haben Sie einmal mit dem Gedanken gespielt, von hier wegzugehen – ich meine, sich in London ein Haus zu suchen etwa? Es muss doch sehr schmerzlich sein, hier zu wohnen.«
    Declan sah Jury an, als sei dieser Polizist etwas schwer von Begriff. »Überhaupt nicht. Das hier ist mein Zuhause, mein Familiensitz. Ich brächte es nicht fertig, wegzugehen und woanders zu leben. Ich hasse Veränderungen. Es ist wie der Tod, finden Sie nicht?«
    Das war keine rhetorische Frage. Jury wusste nicht, was er darauf antworten sollte, also sagte er

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