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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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sich, die beinahe durchsichtig wirkte. Gegen so eine »Freundin« hätte Jury auch nichts gehabt. Er lächelte. »Eine gute Freundin, stimmt’s?«
    Declan lachte etwas verlegen. »Das war ein Jahr nach Marys Tod. Ich war noch – na, ich wollte einmal weg von allem, fuhr also eine Weile nach Paris.« Er nahm Jury das Bild wieder ab. »Georgina. Sie ist wirklich – atemberaubend, finden Sie nicht?«
    Es war, als wollte er sich von Jury versichern lassen, dass er kein Schuft war, weil er nach dem Tod seiner Frau etwas mit Georgina Fox angefangen hatte. Ach Gott, wer wollte ihm das zum Vorwurf machen? » Ich könnte mich auf jeden Fall in sie verlieben. Welcher Mann denn nicht?«
    »Es hat nicht lange gehalten. Ein paar Wochen.«
    Jury hob den Blick. »Haben Sie noch welche von Flora?«
    Declan lachte. »Ach, jede Menge.« Er ging wieder an das Wandtischchen hinüber, zog eine Handvoll hervor und reichte sie Jury.
    Flora in verschiedenen Lebensaltern. Als Baby, als Zwei-, Drei- und Vierjährige. Jury gefiel es, wie sie auf einigen aufrecht dastand, dort, wo der Fußpfad begann, den er vorhin entlanggegangen war, mit den Bäumen wie Wachsoldaten und den weißen Kreuzchen. So (hatte sie sich vielleicht gedacht) stellte man sich für ein Foto in Positur. Sie trug ein helles Rüschenkleid, das ihr kaum bis zu den Knien reichte.
    Declan saß in Denkerpose und sah zu, wie die Fotos durch Jurys Hände glitten, als könnten sie unter dem Blick eines Fremden, einer neuen Person vielleicht wieder zum Leben erwachen. »Mary nannte Flora immer ›Fleur‹, um sie zu ärgern.« Er lächelte. »Sie hasste ›Fleur‹.« Und als wäre es ihm gerade eingefallen, fügte er hinzu: »Wissen Sie, Flora war sehr bodenständig, unprätentiös – wenn man das von einem vierjährigen Kind sagen kann.« Er richtete sich auf. »Wenn ich in London herumspaziere – oder egal wo, in irgendeiner kleinen oder großen Stadt – und mir unterwegs Kinder begegnen, schaue ich sie an und denke, wie unverfälscht doch ihre Welt ist, und dann denke ich mit Entsetzen, womit sie in ein paar Jahren konfrontiert werden: mit Drogen, Zuhältern, Scharlatanen, Verrückten – mit dieser ganzen gesetzlosen Welt – und dann bleibe ich stehen und hole ganz entsetzt Luft. Wie um Gottes Willen sollen sie bloß damit fertig werden? Wie können sie die Last der Welt schultern?«
    »Vielleicht sind ja Mum und Dad da, um ihnen die Last abzunehmen.«
    Declan sammelte die Fotos wieder ein. »Manche haben aber keine Mum. Manche haben überhaupt keine Eltern. Was dann?«
    »Sie werden schon damit fertig.«
    »Das sollten sie aber nicht müssen.«
    »Ich weiß«, sagte Jury. Er wusste es nur zu gut.
    In dem Moment kam dieselbe Frau, die Jury aufgemacht hatte, ohne große Förmlichkeiten an die Tür, entschuldigte sich und sagte: »In zehn Minuten ist das Abendessen fertig, Mr. Scott.«
    »Gut. Danke, Rebecca. Mr. Jury wird mir Gesellschaft leisten -« An Jury gewandt: »Das tun Sie doch, nicht? Ich kann Ihnen garantieren, es lohnt sich.«
    »Na, und ob.«
    Sie nickte und ging.
    Ein Thema, von dem Declan Scott nie genug bekommen würde, war seine Frau. Und so fragte Jury ihn bei einer Kraftbrühe, wie sie sich eigentlich kennen gelernt hatten.
    »Per Zufall. In einem Pub in Belgravia. Nachdem sie Viktor verlassen hatte, wohnte sie bei ihrer Mutter – Alice Miers, einer bezaubernden Frau – in Belgravia. Alice hat dort ein Haus, klein, aber fein.«
    Kleines Haus, großer Preis. Eins musste man sagen: Diese Leute verstanden zu leben.
    »Ich besuche Alice ab und zu, wenn ich nach London fahre. Flora nehme ich – nahm ich – auch mit.« Seine Stimme verlor sich. Er hielt das Kelchglas hoch, in das der Chardonnay eingeschenkt worden war. »Diese Gläser stammen aus Prag. Mary liebte schönes Glas. Ich mache mir nicht viel daraus, mich interessiert eher das, was drin ist.«
    »Und das ist etwas sehr Gutes«, sagte Jury.
    Rebecca servierte den Hummer an einer ausgezeichneten (mit besagtem Chardonnay üppig angesetzten) Sauce und zog sich dann zurück.
    Jury fragte: »Wie genau konnten Sie sich die Frau in Brown’s Hotel eigentlich ansehen?«
    Verblüfft hob Declan den Blick von der Speise, die von der Servierplatte auf seinen Teller transferiert worden war, und sagte: »Ziemlich genau, ich versuchte ja zu erkennen, wer sie war. Glauben Sie, ich irre mich vielleicht? Ich meine, indem ich sie falsch identifiziert habe?«
    So genau hatte Jury es nicht durchdacht, stellte jedoch

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