Karneval der Toten
herübergeschickt.
Melrose gefiel sein Aussehen sofort – etwas kleinwüchsig, etwas gekrümmt -, und er erkundigte sich, was er denn so mache.
»Was ich so mach? Hmm, mit Verlaub, Sir, ich mach halt, was so’n Eremit macht. Sie wissen schon.«
»Nun, die Sache ist die: Mein letzter Eremit hockte dauernd im Pub herum, wenn er sich nicht gerade über die Eremitage beschwerte.«
Vor ebendiesem Bauwerk standen sie nun. Mr. Blodgett hatte es inspiziert und fand es die beste Eremitage, die er je gesehen hatte. »Da müssen Sie aber’ne Niete erwischt haben. Versaut uns allen den Ruf. Pub kommt nicht in Frage, Sir. Meistens sitz ich halt einfach so da.«
»Sie können aber doch auch herumlaufen, oder?«
»Wenn’s verlangt wird, Sir, mach ich’s gerne.« Er verbeugte sich untertänig.
Melrose gefiel besonders die Art, wie er seine Kappe in den Händen knetete.
»Noch was, können Sie finster dreingucken?«
Mr. Blodgett musterte ihn ratlos. »Finster dreingucken? Ich versteh nich ganz, was Sie meinen, Sir.«
»Na, eben grimmig blicken. Und wild.«
»Vielleicht brauchen Sie da eher so’n Schauspielertypen?«
»Nein, nein. Sehen Sie, ich will bloß, dass Sie herumschleichen, wenn meine Tante hier ist, besonders vor den Wohnzimmerfenstern.«
»Das lässt sich machen, bloß dass meine Augen nich so gut sind. Woher soll ich wissen, dass sie’s is?«
»Weil sie es immer ist, sie ist der einzige regelmäßige Besuch, den ich habe, und sie kommt jeden Tag herüber. Es hängt mir wirklich zum Hals heraus.«
Das war vor einigen Wochen gewesen, und Melrose war mit Mr. Blodgetts Bemühungen höchst zufrieden. Unglücklicherweise war Mr. Blodgett aufgrund seiner schlechten Sehkraft eines kalten Februarmorgens in den Ententeich gefallen, wovon er sich immer noch erholte, und Agatha suchte ihn immer noch täglich heim.
Momentan betrachtete Melrose seinen Ziegenbock, der gerade sein Frühstück (oder seinen Brunch, da es schon auf elf zuging) vor dem Wohnzimmerfenster verzehrte, wo er schmackhaftes Gras oder frische junge Blätter gefunden hatte. Es war zwar nicht das Gleiche, als wenn Blodgett dort gewesen wäre, denn der Ziegenbock (falls Agatha ihn überhaupt bemerkte) käute jenseits der Fensterscheibe lediglich wieder und bot keinen furchterregenden Anblick. Melrose fand, dass der Ziegenbock eigentlich eine recht bemerkenswerte Seelenruhe an den Tag legte. Oder Ergebenheit, Ergebenheit in sein der Laune eines zufällig vorbeikommenden Fremden unterworfenes Schicksal. Er war kurzerhand von dem Farmer Brown (oder wie auch immer er hieß) gekauft und als Gefährte von Melrose’ Pferd in den Stall von Ardry End verfrachtet worden. Melrose gefiel das Gesicht des Ziegenbocks und diese grüblerische Art, wie er wiederkäute, als befasste er sich mit weitaus bedeutsameren Dingen als mit Fressen.
Diane Demorney war der Überzeugung gewesen, Melrose müsse sich einen Ziegenbock anschaffen, um das Pferd bei Laune zu halten. »Man braucht das Pferd doch bloß anzuschauen. Man sieht doch gleich, dass es sich nach Gesellschaft sehnt.«
»Sie haben Aggrieved exakt einmal zu Gesicht bekommen, Diane, und zwar aus sechs Metern Entfernung während der Cocktailstunde. Um fünf Uhr sind Sie ja nicht mal in der Lage, Ihre eigenen Hände klar sehen, erzählen Sie mir also nicht, wie Aggrieved aussah.«
Diane scherte sich keinen Deut um seine Meinung und fuhr unverdrossen fort. »Einen Ziegenbock oder aber eine Katze. Genuine Risk hatte eine Katze bei sich in der Box, die sie zu allen auswärtigen Rennen begleitete. Ein Pferd braucht Gesellschaft.«
Diese Kommentare waren damals im Januar im Jack and Hammer zum Besten gegeben worden, während Richard Jury noch als Rekonvaleszent unter ihnen weilte. Alle sechs – Diane, Trueblood, Vivian, Jury, Theo Wrenn Browne und Melrose – drängten sich um den Tisch am Fenster. Alle sieben, wenn Mrs. Withersby darauf bestand, sich mit Wischmopp und Putzeimer neben ihren Tisch zu stellen.
»Wie ist denn sein Name?«, fragte Marshall Trueblood, wobei er den Namen des Ziegenbocks meinte.
»Hat noch keinen. Ich kann mich nicht so recht entscheiden. Ich dachte vielleicht an Provok’d.«
»Wir sollten einen Wettbewerb ausrichten«, meinte Theo Wrenn Browne, der gerade von zwei Wochen Ibiza zurückgekehrt war und aussah wie aus einem Toaster gehüpft (und mit ebenso viel Schwung wie die Brotscheibe).
»Der Gewinner bekommt eine Flasche Wodka!«, sagte Diane.
»Gin!«, rief Mrs. Withersby aus,
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