Karneval der Toten
namens Lena Banks, bildschön, Psychopatin. Wie sagte mein altes Mütterchen – Lumpenpack, alles miteinander, eins wie’s andere.«
»Lena Banks.« Jury klemmte sich den Hörer zwischen Schulter und Ohr, suchte nach einem Schreibstift, fand einen und sagte: »Adresse?«
»The Culross. Das ist in der Culross Street, Nähe Park Lane.«
»Feine Adresse.« Jury lehnte sich zurück. »Was wissen Sie über die Frau?«
»Ist seit mindestens zehn Jahren mit Baumann zusammen. War nie verheiratet, aber nie ohne ein Mannsbild. Ausgedehnte Reisen, lebte einige Jahre in Lissabon, Berlin, Paris, London, Rom, New York, die ganze Palette rauf und runter. Ob sie arbeitet? Nicht direkt. Bisschen als Schauspielerin, bisschen als Model. Hauptsächlich sorgt Viktor für sie. War die letzten zehn Jahre etwa mit ihm zusammen oder wenigstens ganz in seiner Nähe. Ziemlich gerissenes Mädel, diese Lena, kleine Gaunerin, macht in Kunstbetrug. So Verschiedenes.«
»Wie kommen Sie eigentlich an Ihre Informationen?«
»Augen und Ohren immer auf der Straße, Rich.« Johnny hatte mehr Spitzel als alle anderen Kollegen zusammen.
»Was ist sie, Oberklasse, Unterklasse?«
»Sie ist kultiviert, gebildet, kennt einflussreiche Leute.«
Jury starrte aus dem Fenster.
»Sind Sie am Nachdenken, Richard? Oder haben Sie aufgelegt?«
Jury hätte nichts dagegen, sich Zutritt zu dieser Wohnung in der Culross Street zu verschaffen. Für einen Durchsuchungsbefehl reichte es allerdings nicht. »Ist das Culross nicht auch eins von diesen Timesharing-Arrangements?«
»Ganz richtig. Bloß nennen die es dort nicht so. Ziemlich beliebt bei Leuten, die viel unterwegs sind. Wahnsinnig teuer, dabei gehört einem die Wohnung nicht mal selber. Wahrscheinlich sehr praktisch für Leute, die viel reisen, aber ich für meinen Teil will meine eigene Bude, auch wenn sie in Hammersmith liegt, dritter Stock ohne Aufzug.«
»Sind Sie so nett und schicken mir herüber, was Sie über die Frau haben.«
»In Ordnung.«
»Danke, Johnny. Ich glaube, ich werde dem Culross einen Besuch abstatten.«
»In die Wohnung kommen Sie aber nicht rein, Rich.«
»Ich weiß.«
»Miss Banks, Sir?«, sagte der Portier in der geschniegelten Uniform hinter dem schwarzen Marmorpult, dem Jury soeben seinen Dienstausweis gezeigt hatte. Eins musste er dem Culross schon lassen – durch einen Besuch von New Scotland Yard ließ man sich dort absolut nicht aus der Fassung bringen. »Miss Banks ist momentan nicht hier wohnhaft. Wir erwarten ihre Rückkehr für« – er sah in seinem großen schwarzen Anmelderegister nach – »nächste Woche.«
»Wenn die Wohnung also leer ist, könnte ich sie mir vielleicht ansehen?« Nein, konnte er nicht, aber man könnte es ja mal versuchen, dachte er sich.
Der Portier schüttelte den Kopf. »Ich fürchte, nein. Sie ist im Moment belegt.«
»Es handelt sich um ein Timesharing-Arrangement, nicht wahr?«
Darauf reagierte der Portier leicht irritiert und schien etwas verschnupft, dass jemand die Lokalitäten mit einem so unfeinen Ausdruck wie »Timesharing« bedachte.
»Nein, nein. Eine zeitliche Beschränkung gibt es nicht. Die Wohnmöglichkeit ist jederzeit gewährleistet. Nur mit dem Unterschied, dass es nicht immer dasselbe Apartment ist. Man kann daher immer wieder verschiedene Wohnungen belegen. Es wird Ihnen allerdings nichts nützen, sich dort umzusehen, da in der jeweiligen Wohnung keine privaten Gegenstände verbleiben. Persönliche Effekten, die man hier lassen möchte, übergibt man gewöhnlich unserem Concierge, der sie dann vor Ankunft in der Wohnung deponiert.«
»Was meinen Sie mit persönlichen Effekten?«
»Fotos, Laptops, eben Dinge, die man mitbringt, um das Domizil etwas persönlicher zu gestalten.«
Jury überlegte kurz. »Und wo werden diese persönlichen Effekten aufbewahrt?«
»Um diese Angelegenheiten kümmert sich unser Concierge.«
»Dann lassen Sie mich mit ihm sprechen.«
»Er ist momentan nicht im Hause, Sir. Ein kleiner Notfall.«
»Ich habe auch einen kleinen Notfall. Ich habe einen Mord-Notfall. Sie sind also dazu auserkoren, mir zu zeigen, wo diese Dinge aufbewahrt werden.«
Der Portier lief rot an, wahrte jedoch tadellos die Haltung. »Das kann ich wohl für Sie tun.«
Er führte Jury durch ein mit Samt- und Satinvorhängen, Antiquitäten, Marmor, Mahagoni und sanften Farbkombinationen üppig ausgestattetes Foyer. Es war ein wahres Fest der Sinne, eine Kostprobe von Opulenz. Vielleicht sollte einen dieses
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