Karneval der Toten
sinnliche Festmahl für die Tatsache entschädigen, dass man seine hunderttausend Pfund nicht bloß für die Räumlichkeiten, sondern für das Gefühl von großzügiger Geräumigkeit hinblätterte.
Im Untergeschoss gelangten sie schließlich zu einem Abstellraum.
»Wer hat die Schlüssel?«
»Ich habe einen, dann natürlich der Concierge. Und weil ihr Hab und Gut unseren Eigentümern jederzeit zugänglich sein muss, sind noch einige weitere Schlüssel im Umlauf. Wir raten natürlich dringend davon ab, Wertgegenstände wie Schmuck oder Geld hier zu lassen. Für derartige Dinge haben wir einen Tresor.«
»Das heißt, das eine ist zugänglich und das andere nicht?«
Er nickte.
»Demnach kann sich theoretisch jeder Ihrer Mitarbeiter Zugang zu Miss Banks’ Sachen verschaffen?«
»Das würde aber keiner tun, ich meine, außer um vor ihrem Eintreffen gewisse Gegenstände in ihrem Domizil zu deponieren.«
»Wie wollen Sie das wissen, wenn es zahlreiche Schlüssel gibt und sich jemand einfach bloß umsehen möchte?«
»Ich versichere Ihnen, Superintendent, alle unsere Mitarbeiter werden sorgfältig ausgewählt und überprüft.«
»Aber selbstverständlich. Das beantwortet allerdings immer noch nicht die Frage, dass nämlich theoretisch so ziemlich jeder Ihrer Mitarbeiter Zugang zu den Habseligkeiten Ihrer Eigentümer hat.«
Der Portier zuckte die Achseln. »Wenn Sie unbedingt darauf bestehen.«
»Das tue ich. Und nun bestehe ich darauf, die Dinge in Augenschein zu nehmen, die Miss Banks hier gelassen hat.«
»Bei allem Respekt, Sir, aber ich glaube, dazu benötigen Sie einen Durchsuchungsbefehl.«
»Nein, benötige ich nicht. Die Sachen befinden sich in einem öffentlich zugänglichen Bereich, nicht wahr? Hier hat jeder Zugang. Lassen Sie mich also ihre Sachen sehen.«
Der Mann zog einen Schlüsselbund hervor und schob die Schlüssel umher, bis er den gewünschten hatte. »Ich kann mir nicht vorstellen, was Sie dort finden wollen.«
»Ich auch nicht. Danke.«
Sie betraten das Gelass, in dem fast nur abgeschlossene Fächer waren. »Ich suche Ihnen die Sachen heraus, muss aber wirklich darauf bestehen, dass ich anwesend bin, während Sie sie durchgehen.«
Jury hätte fast gelacht. »Selbstverständlich, bleiben Sie.«
Was der Kerl daherbrachte und auf den Tisch legte, war in der Tat recht spärlich.
»Wie Sie sehen, ist es sehr wenig.«
Ein Laptop, eine lederne Aktentasche und eine Ledermappe mit Reißverschluss, dazu etwa ein halbes Dutzend Kosmetikartikel – Lotionen, Parfums. »Würden Sie die bitte für mich öffnen? Es ist Ihnen ja vermutlich lieber, wenn ich es nicht selbst mache, ja?«
Der Portier zog den Reißverschluss an der Mappe auf, die einen Schreibblock und einen Stift enthielt. Dann die Aktentasche, in der sich ein kleines kalbsledernes Fotoalbum befand, von der Art, wie man sie in der Jackentasche oder in der Handtasche tragen kann.
»Darf ich das mal bitte sehen?« Jury bekam das Album ausgehändigt und öffnete den Verschluss, woraufhin sich ein kleiner Wasserfall von Schnappschüssen offenbarte. In mehreren Plastikfächern steckten Fotos, Bilder von Viktor Baumann und – vermutlich – Lena Banks.
Jury starrte sie einen Augenblick an und zeigte sie dann dem Portier. »Ist das Lena Banks?«
Der Portier nahm umständlich seine Brille aus dem Etui und rückte die Bügel zurecht. Dann betrachtete er die Fotos. »Ja, das ist sie.«
Jury wusste nicht recht, was er erwartet hatte, vielleicht, dass es sich bei Lena Banks um die Frau in Declan Scotts Garten handelte.
Was er aber ganz sicher nicht erwartet hatte: Lena Banks war Georgina Fox.
Fiona hatte Blakeleys Akte bei Jury im Büro abgegeben, versehen mit einer kleinen Notiz: »Die will Inspector Blakeley möglichst schnell zurückhaben.«
Er schlug sie auf. Auf dem Hochglanzfoto, einer aufwendig gemachten Aufnahme, war ihr blondes Haar von feinen Lichtstreifen durchwirkt. Lena Banks war zweifellos sehr schön, sogar noch schöner als auf Declan Scotts Pariser Fotos. Und doch schien ihm ihre Schönheit vergänglich, ein bloßes Zusammenspiel von Licht und Schatten. Oder einfacher ausgedrückt: Lena Banks war äußerst fotogen.
Er rief Johnny gleich wieder an und dankte ihm für die Akte.
»Paris?«, fragte Johnny. »Ja, Lena Banks war in Paris, ungefähr vor... warten Sie mal« – Papiergeraschel – »vor etwa anderthalb Jahren. Wieso?«
»Ein Detail. Falls es wichtig ist, werde ich es Ihnen sagen. Haben Sie irgendetwas
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