Karneval der Toten
sich. »Haben Sie denn Fortschritte gemacht?«
Jury lächelte. »Fortschritte sind schwer zu messen in unserem Job. Wir haben aber neue Informationen, und ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen.«
Baumann nickte, setzte sich und legte die Hand auf den gläsernen Briefbeschwerer mit der griechischen Münze.
Würde eine gute Waffe abgeben, das Ding, dachte Jury. »Wir sind auf eine Frau gestoßen, die mit diesem Fall offenbar maßgeblich in Verbindung steht, und ich frage mich, ob Sie vielleicht etwas über sie wissen. Ihr Name ist Georgina Fox.«
Baumann – das musste Jury ihm lassen – zuckte nicht einmal mit der Wimper.
»In Paris hatte sie eine Affäre – ziemlich stürmische Geschichte, zumindest von seiner Seite aus – mit Declan Scott.« Mit diesen Worten reichte Jury ihm einen der Schnappschüsse von Lena Banks. Natürlich einen, auf dem Baumann nicht abgebildet war. Jury verspürte fast eine gewisse Distanz bei dieser Transaktion und fragte sich, ob Viktor Baumann leugnen würde, die Frau auf dem Bild zu kennen. Wohl eher nicht, dazu war der Kerl zu gerissen. Er konnte sich ja denken, wenn die Polizei eine Aufnahme von Lena Banks aufgetrieben hatte, gäbe es womöglich noch andere, auf denen Viktor persönlich zu sehen war.
Um Zeit zu gewinnen, öffnete Baumann ein Etui und nahm eine Brille heraus, die er sicher nicht brauchte, vermutete Jury. Er befestigte die dünnen, biegsamen Bügel hinter den Ohren und betrachtete das Foto. Seine erstaunte Reaktion wirkte ziemlich überzeugend, fand Jury. Baumann war ein guter Schauspieler.
»Die kenne ich, Superintendent, oder jedenfalls eine Frau, die ihre Zwillingsschwester sein könnte.«
»Und handelt es sich bei dieser anderen Frau um Georgina Fox?«
»Nein, nein. Das ist es ja. Die Frau, die ich kenne, heißt Lena Banks.«
»Lena Banks?«
»Ja. Das verstehe ich nicht.« Er gab Jury die Aufnahme nicht zurück, sondern legte sie behutsam an die Ecke seines Schreibtischs. In seinem Gesicht drückte sich Verblüffung aus. »Declan Scott und sie waren ein Liebespaar, sagten Sie?«
»Ja, für kurze Zeit. Verzeihung, aber ist diese Banks eine spezielle Freundin von Ihnen?« Er beobachtete Baumanns Gesichtsausdruck. Wie viel sollte er verraten? Wie viel verbergen? Baumann reagierte schnell.
»Das, äh, nahm ich eigentlich an.« Er lächelte, als könnte die Beziehung, wie auch immer sie geartet war, dem nicht standhalten. »Was mir aber nicht ganz geheuer ist – diese Fox... Falls es tatsächlich Lena Banks ist, wieso sollte sie sich Scott dann unter falschem Namen präsentieren?«
Was wollte sie überhaupt von ihm, wollte Jury hinzufügen. »Gute Frage. Wie gut kennen Sie sie?«
»Lena Banks? Sie ist eine gute Freundin von mir... ähm, genauer gesagt, wir sind ein Paar. Ich kenne sie seit Jahren.«
Jury griff nach dem Foto. »Angenommen, sie gibt sich für Georgina Fox aus – hat sie ein Register, Mr. Baumann?«
»Wie bitte?«
»Ein Vorstrafenregister – ist sie vorbestraft?«
Baumann lachte kurz auf. »Ach Gott, das hoffe ich nicht. Wie sind Sie eigentlich an ihr Foto gekommen?« Er beugte sich über das Foto.
»Durch Zufall.« Jury nahm es wieder an sich und steckte es in die Tasche. »Einer meiner Kollegen hatte eine Akte über sie. Sie muss irgendwie etwas mit den Pädophiliedelikten zu tun haben. Inspector Blakeley hatte die Unterlagen.«
»Ja, ich glaube, ich bin Inspector Blakeley schon mal begegnet.«
»Er ist der Chef dieser Abteilung.« Jury zuckte die Achseln. »Kann er meinetwegen auch gerne bleiben. Mich ödet das an – da werden Zeit und Arbeitskräfte verschwendet für etwas, was doch schlicht Geschmackssache ist.«
Baumann unterbrach sich beim Anzünden einer Zigarre und stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Aus dem Munde eines Polizisten klingt das ja verdammt merkwürdig.«
»Tut mir Leid, wenn Sie es abstoßend finden.« Jury lächelte, was ihm äußerst schwer fiel.
Nachdem er die Zigarre inzwischen angezündet hatte, lehnte sich Baumann in seinem Sessel zurück, wippte leicht und sagte: »Nein, abstoßend ist es nicht. Sie finden so ein Verhalten also nicht abartig?«
»Auch nicht abartiger, als wenn jemand schwul ist.« Jury wusste, dass er genau beobachtet wurde, dass der andere ihn einzuschätzen versuchte.
Baumann schlug einen vertraulichen Ton an. »Leute wie Inspector Blakeley begreifen eines nicht: dass es nämlich um Liebe geht, nicht um Missbrauch. Wir haben doch alle schon mal Kinder umarmt, mit ihnen
Weitere Kostenlose Bücher