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Karneval der Toten

Titel: Karneval der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Grimes
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die Thermoskanne. »Ja, ich habe darüber nachgedacht. Die ganze Zeit denke ich darüber nach.«
    »Zwischen dem Mord an dieser Frau und Floras Verschwinden gibt es einen Zusammenhang, glaube ich zumindest.«
    Das Polizeifoto lag immer noch auf dem Tisch neben dem Tablett. Alice nahm es wieder zur Hand. »Sie sieht nicht so aus, als hätte sie vielen das Herz gebrochen. Das klingt jetzt vielleicht oberflächlich. Nur weil sie nicht hübsch war...« Sie zuckte die Achseln. »Merkwürdig, nicht wahr?«
    »Das kann man wohl sagen. Wie erklären Sie sich Marys Heimlichtuerei?«
    »Nun, sie wollte auf jeden Fall verhindern, dass Declan etwas erfuhr, und vielleicht hat dieses ›Etwas‹ ja zum Tod dieser Frau geführt. Oder stand damit irgendwie in Zusammenhang.«
    »Sie kam einmal sogar nach Angel Gate. Dora Stout, die Köchin, hat sie gesehen. Oder jedenfalls einen kurzen Blick auf sie werfen können.«
    Wieder reagierte Alice überrascht. »Das wusste ich nicht. Und hat sie es Declan gesagt?«
    Jury schüttelte den Kopf. »Nein. Er erfuhr erst davon, als Mrs. Stout es der Kripo erzählte.«
    Kopfschüttelnd starrte sie erneut auf das Teppichmuster. »Das macht mich jetzt furchtbar traurig. Declan ist wahrscheinlich der vertrauenswürdigste, großherzigste Mensch, den ich überhaupt kenne, und ausgerechnet ihm wird etwas vorenthalten. Da taucht diese Frau ein zweites Mal auf, und Declan hat immer noch keine Ahnung, wer sie ist?«
    Jury schlug einen anderen Kurs ein. »Haben Sie Ihre Enkelin oft gesehen?«
    »Nicht so oft, wie ich es gern gehabt hätte. Ich kann nicht reisen – der Arzt hat es mir untersagt. Früher natürlich, als Flora noch...« Ihr versagte kurz die Stimme. »Mary und Declan waren sehr lieb und haben mir Flora oft gebracht. Das tut Declan immer noch. Ich meine... tat es.«
    »Sie kannten Rebecca Owen bereits, als sie für Ihre Tochter und Viktor Baumann arbeitete, nicht wahr?«
    »Sie ist großartig, wirklich. Ein Glück, dass sie dort war, als Mary noch mit ihm verheiratet war. Rebecca schien Mary so etwas wie Halt zu geben. Bei Viktor brauchte man das.« Alice nippte an ihrem Kaffee.
    »Nicht gerade die beliebteste Figur in dieser Geschichte.«
    Sie stöhnte ungehalten. »Er war furchtbar. Ich bin noch nie einem Menschen begegnet, der so kalt ist und dabei recht charmant wirkt. Gott, war ich erleichtert, als sie diese Ehe hinter sich hatte.« Sie sah in den Garten hinaus. »Menschen wie Viktor werfen allerdings lange Schatten. Die reichen überall hin, um einen zu packen. Und festzuhalten. Declan wollte Flora adoptieren, aber mir war klar, dass Viktor niemals einwilligen würde.« Alice stützte das Kinn in die Hand. »Sie wäre jetzt sieben. Jedes Mal, wenn es an der Tür klopft, ohne dass ich Besuch erwarte, jeder Anruf, bei dem ich eine fremde Stimme höre... da bleibt mir das Herz stehen, und ich denke, es ist etwas mit Flora.« Sie seufzte. »Hoffnung ist nicht realistisch, Glaube auch nicht, trotzdem hält man dran fest. Wie könnte ich denn aufhören zu hoffen, vor allem, weil ich ja nicht weiß, wieso sie überhaupt verschwunden ist? Eine mögliche Erklärung ist, jemand hat sie mitgenommen, um sie als sein eigenes Kind aufzuziehen. An Ihrem Gesichtsausdruck sehe ich, dass Sie anderer Meinung sind.« Sie lächelte.
    »Ich muss gehen.« Es wurde allmählich dunkel. Durch die Verandatür konnte er sehen, wie sich die Schatten verdichteten. Aus einem unerfindlichen Grund hatte er das Bedürfnis, sich dort umzusehen. Bereits im Mantel, deutete er mit einem Kopfnicken in die Richtung. »Könnte ich mal den Garten sehen?«
    »Aber natürlich.« Überrascht erhob sie sich vom Sofa, und sie gingen durch den schmalen Flur. Von einer Reihe hölzerner Kleiderhaken neben der Verandatür nahm sie einen dicken Pullover. Dann öffnete sie die Tür, trat hinaus und wartete auf Jury.

25
    Carol-Anne saß bei Jury in der Wohnung und trug gerade eine dicke Schicht grellrosa Lack auf ihre Zehennägel auf. Das Kinn so aufs Knie gestützt, erinnerte sie Jury eine flüchtige Sekunde lang an Lulu, dabei hätten die beiden allerdings kaum verschiedener sein können, und das nicht nur vom Alter her. Carol-Anne hatte rötlichbraunes Haar, wenngleich dies kaum eine angemessene Beschreibung war: Sonnenuntergang über Santa Fe traf es schon besser, und ihre Augen waren von tollkühnem Blau oder momentan eher brennendem Türkis, während sie sich gerade wieder in Schwung brachte, um sich gleich lautstark zu beklagen,

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