Karparthianer 01 Mein dunkler Prinz
gibt in diesen Wäldern 380
Wölfe und andere Kreaturen. Wir müssen warten, bis wir wieder etwas sehen können.«
»Aber wir haben doch unsere Gewehre«, protestierte der Junge. »Deshalb haben wir sie doch mitgebracht.«
»Ich sagte Nein. Auch eine Waffe schützt dich nicht vor allen Gefahren, mein Junge.«
Aidan drängte seine Mordlust zurück. Der Junge war noch ein halbes Kind. Wer auch immer diese Sterblichen waren, er würde sie nicht töten, es sei denn, sie bedrohten sein Leben oder das eines anderen Karpatianers. Er würde nicht zum Vampir werden und sein Volk verraten. Es fiel ihm schon jetzt viel zu leicht, ein anderes Lebewesen zu töten.
Das Gefühl der Macht war verführerisch. Neben ihm wirbelte ein Windstoß Blätter und Zweige auf. Gregori erschien, der Mikhail auf den Armen trug. »Komm, wir wollen diesen Ort verlassen, Aidan.«
»Ich konnte sie nicht töten«, erklärte Aidan leise, jedoch ohne sich zu entschuldigen.
»Wenn der Mann dort Eugene Slovensky ist, ist er heute Nacht mit Sicherheit sehr beschäftigt. Sein Bruder liegt tot unter einem Haufen Geröll begraben, als Ausgleich für Mikhails Priester.«
»Ich durfte es nicht wagen, sie zu töten«, wiederholte Aidan.
»Slovensky hat den Tod verdient, aber ich bin froh, dass du widerstehen konntest. Ich kenne die Gefahr, in der du schwebst. Seit vielen Jahren ziehst du schon umher, um Vampire zur Strecke zu bringen. Diese Aufgabe zeigt dir die dunkle Seite deiner Seele.«
»Ich habe die Grenze schon fast erreicht«, gestand Aidan leise. »Als Mikhails Gefährtin so schwer verletzt wurde, konnte jeder Karpatianer auf der ganzen Welt seinen Zorn spüren. Ich musste dieser Empfindung einfach nachgehen und mich davon überzeugen, dass wir unseren weisen Herr-381
scher nicht verloren haben. Ich glaube, dass seine Gefährtin uns allen neue Hoffnung schenken kann.«
»Ja, das glaube ich auch. Vielleicht würde dir das Leben in einem anderen Land Erleichterung verschaffen. Wir brauchen einen erfahrenen Jäger in den Vereinigten Staaten.«
Im Schutze des dichten Nebels wandte sich Aidan der Ruine des so sorgfältig errichteten Gefängnisses zu. Eine Handbewegung ließ die Erde erzittern, und die Mauerreste wurden dem Erdboden gleichgemacht, sodass nur noch ein Geröllhaufen James Slovenskys frisches Grab markierte.
Gregori erhob sich in die Luft, Aidan an seiner Seite.
Gemeinsam legten sie den Weg zu der Höhle zurück, in der sich nach und nach die anderen karpatianischen Männer versammelten, um Gregori dabei zu helfen, ihren Prinzen zu heilen.
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Kapitel 15
Raveri spürte die kühle Nachduft auf ihrer Haut, wäh-rend André sie mit unbekanntem Ziel durch die Lüfte trug. Sie war schwach, fühlte sich schwindlig und fand es schwierig, sich zu konzentrieren. Zuerst versuchte sie noch, irgendwelche markanten Punkte in der Landschaft zu entdecken, die sie Gregori übermitteln konnte, doch nach einer Weile konnte sie sich nicht mehr daran erinnern, was sie da tat und zu welchem Zweck. Instinktiv spürte sie, dass es die Droge war, die sie so verwirrte. Es fiel ihr schwer, darüber nachzudenken, wohin der Vampir sie brachte oder was er mit ihr anstellen würde, wenn sie das Ziel erreicht hatten.
Der Mond schien hell und ließ die Wälder unter ihr wie eine unwirkliche Traumlandschaft aussehen. Gedankenfet-zen tauchten auf und verschwanden wieder. Geflüsterte Worte, ein ständiges Murmeln in ihrem Kopf, das Raven nicht zu entwirren vermochte. Hatte sie womöglich bei der letzten Suche nach einem Serienmörder den Verstand verloren? Sie konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern, was mit ihr geschehen war. Den Wind allerdings empfand sie als angenehm; er wehte über ihren Körper und schien ihr Reinheit und Frische zurückzugeben. Raven fror, doch es machte ihr nichts aus. Über ihr funkelten die Sterne, und unter ihr glitzerte das Wasser eines großen Sees. Zwar genoss sie die Schönheit der Natur, litt aber trotzdem entsetzlich unter Kopfschmerzen.
»Ich bin müde.« Raven fand ihre Stimme wieder und wollte überprüfen, ob sie sie auch benutzen konnte. Vielleicht konnte sie sich so aus dem seltsamen Traum aufwe-cken.
Seine Arme schlossen sich fester um sie. »Ich weiß. Wir sind bald zu Hause.«
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Raven erkannte die Stimme nicht, doch etwas in ihr wehrte sich gegen die Nähe dieses Mannes. Ob sie ihn wohl kannte?
Offenbar nicht, doch er hielt sie so selbstverständlich in seinen Armen, als wäre es sein gutes
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