Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
überprüfen und auf mögliche Gefahren zu achten. Und du kannst nicht ohne mich existieren. Es ist meine Pflicht ebenso wie mein Recht, dich zu beschützen.
Was wird aus mir, wenn du stirbst? Was wird aus dir, wenn ich sterbe? Sie kannte die Antwort; sie hatte das 300
leere Leben ihrer Mutter miterlebt. Das ist Besessenheit.
Die nächsten Worte sagte sie laut, damit der Wind sie über die Berge tragen konnte. »Ich will nicht so werden wie sie.« Sie hielt ihr Gesicht in den strömenden Regen, sodass die Tropfen wie Tränen über ihr Gesicht liefen. Es war zu spät. Sie konnte ohne Jacques nicht überleben.
War sie nicht jetzt schon genauso wie ihre Mutter?
Er kam aus der Nacht, so schön und so männlich, dass es ihr den Atem nahm. Seine schwarzen Augen, die an ein Raubtier erinnerten, ruhten besitzergreifend auf ihr.
Shea schüttelte den Kopf. »Ich bin nicht stark genug, Jacques.« Der Wind schlug mit solcher Wucht auf sie ein, dass sie beinahe gestürzt wäre.
»Wähle das Leben für uns, Shea, für unsere Kinder. Es wird nicht leicht sein, mit mir zu leben, aber ich schwöre dir, niemand könnte dich mehr lieben als ich. Ich werde alles tun, um dich glücklich zu machen.«
»Verstehst du nicht? Niemand kann einen anderen glücklich machen, auch du mich nicht. Ich bin die Einzige, die das vermag. Und das kann ich nicht.«
»Du hast nur Angst. Wir haben beide Probleme, Shea.
Du fürchtest die Nähe, und ich fürchte das Fehlen von Nähe. Es geht einfach darum, einander irgendwo in der Mitte zu treffen.«
Seine Stimme war so weich, dass Shea sie auf ihrer Haut spürte, so als würden seine Fingerspitzen hauchzart über Satin streichen. Jacques trat zu ihr unter die Baumkrone und sah sie aus seinen dunklen Augen unverwandt an. »Entscheide dich jetzt, Shea. Entscheide dich dafür, mich zu brauchen. Mich zu begehren. Mich zu lieben. Entscheide dich für unser Leben.«
»Es sollte nicht so sein.«
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»Wir sind keine Menschen. Wir sind Karpatianer, Kinder der Erde. Wir herrschen über Regen und Wind.
Die Tiere sind unsere Brüder. Wir können mit dem Wolf laufen, mit der Eule fliegen, zum Regen selbst werden.
Wir sind keine Menschen.
Wir nähren uns nicht von Fleisch wie Menschen, und wir lieben nicht wie Menschen. Wir sind anders.« »Wir werden ständig gejagt.«
»Und wir jagen selbst. Das ist der Kreislauf des Lebens. Schau mich an, Shea.«
302
Kapitel 10
Shea hob den Blick und sah in die verstörende Intensität von Jacques' dunklen Augen. Er war so nah, dass sie die Hitze seiner Haut spüren konnte. Seine Fingerspitzen strichen über ihre Wange und ihren Mund.
Sein Verlangen nach ihr war so elementar wie der Sturm.
Es brannte in ihm wie das heiße Knistern von Elektrizität, wie die langsam sich ausbreitende Hitze geschmolzener Lava. »Brauche mich, Shea.« Seine Stimme klang sehnsüchtig. »Brauche mich, so wie ich dich brauche. Ich würde mein Leben für dich geben. Lebe für mich.
Versuch, für mich zu leben. Liebe mich einfach.«
Als sich Sheas Wimpern senkten, glitzerten Regentropfen an den Enden der seidigen Halbmonde.
»Du weißt nicht, was du von mir verlangst.«
Seine Hände umrahmten ihr Gesicht, und seine Daumen strichen über ihren hektischen Puls. Jede seiner hauchzarten Berührungen ließ Flammen durch ihren Körper wirbeln. Wieder fand ihr Blick zögernd zu seinem. Etwas wie Hoffnungslosigkeit spiegelte sich in ihren grünen Augen. »Natürlich weiß ich, was es dich kostet, meine Kleine. Ich spüre dein Zögern, deinen Widerwillen gegen unsere Ernährungsgewohnheiten.«
Seine Hand glitt zu ihrem Nacken und zog sie an sich.
»Ich habe versucht, mich damit abzufinden«, protestierte sie. »Ich brauche mehr Zeit.«
»Das weiß ich, Shea. Ich hätte eine andere Möglichkeit finden sollen, um dir zu helfen. Ich bin noch dabei herauszufinden, wer ich bin. Ich will das sein, was du brauchst, jemand, den du respektieren und lieben kannst, 303
nicht jemand, der dir seinen Willen aufzwingt und den Weg geht, der für ihn am bequemsten ist. Es gibt Möglichkeiten, meine kleine Liebste, dir Nahrung zu geben, ohne deinen Widerwillen zu erregen.« Sein Mund fand zu ihrem Puls und spürte, wie er unter der Berührung seiner Zunge zuckte.
Seine Lippen wanderten zu ihrem Kinn und zu ihren Mundwinkeln. Seine Stimme war rau vor Verlangen.
»Du musst mich wollen, Shea. Nicht nur mit deinem Körper, sondern mit deinem ganzen Herzen.« Sein Mund presste sich auf ihren, nicht
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