Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
so viel Macht haben.
»Aber warum können wir den Vampir nicht entdecken, wenn er in der Nähe ist?«, fragte Mikhail niemanden im Besonderen. »Ich habe die Umgebung abgesucht und keinen von unserer Art finden können, nicht einmal Byron.«
»Shea war in der Lage, den Vampir auszumachen, obwohl es mir nicht gelang«, bemerkte Jacques. »Ich wusste zuerst nicht, ob ich ihr glauben sollte, aber ich konnte in ihrem Bewusstsein sehen, was sie fühlte.«
Shea reckte herausfordernd das Kinn. »Können Sie erklären, wie das möglich ist?«, fragte sie Gregori. »Wie konnte jemand das schaffen?«
Gregori richtete das volle Ausmaß seiner magnetischen Augen auf sie. »Ich kann die Erde unter deinen Füßen beben lassen und Blitze vom Himmel schicken. Ich kann dir mit einem Gedanken die Luftzufuhr abschneiden. Ich bin alles, von einer Maus zu einem frei laufenden Wolf. Ist das nicht genug, was du glauben kannst?«, entgegnete er leise.
Seine Stimme war eine magische Waffe. Das war es, was Shea glaubte. Sie fröstelte und rückte näher an Jacques heran. Sie alle vertrauten Gregori, aber war er 366
nicht einer vom uralten Stamm? Sie alle hatten ihr gesagt, dass ein Vampir sein wahres Ich verbergen und ganz normal erscheinen konnte. Keiner von ihnen verdächtigte ihn. Es galt als allgemein anerkannte Tatsache, dass er der gefährlichste von ihnen war, mit einem ungeheuren Wissen, das er sich unermüdlich im Lauf von Jahrhunderten erworben hatte. Und er war ihr Heiler, er hatte ihnen allen sein Blut gegeben. Ihr Verstand versuchte, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen.
Das ist unmöglich. Jacques fing ihre Gedanken auf.
Warum?, wollte Shea wissen.
Mikhail würde es wissen. Keine Ahnung, wieso ich mir so sicher bin, aber so etwas könnte Gregori nicht vor Mikhail verbergen.
Sie stieß einen gereizten, kleinen Laut aus.
Jacques unterdrückte ein Grinsen über ihren weiblichen Eigensinn. Sie hatte etwas gegen die Art, wie Gregori mit Frauen umging.
»Ein paar Meilen von hier entfernt ist ein Mensch«, verkündete Mikhail. »Andere kann ich nicht entdecken.
Er befindet sich nicht weit von Jacques' altem Zuhause.
Gehen wir?«
Fahle Streifen des ersten Tageslichts zogen sich über den Himmel, graue Flecken, die den dunklen Wolkenbergen und dem stetig fallenden Regen trotzten.
»Geh, Mikhail«, drängte Raven ihren Mann sanft. »Du musst es tun. Sonst hätte ich das Gefühl, Byron auf dem Gewissen zu haben. Wenn du nicht gehst, dann nur meinetwegen.«
»Du musst gehen«, sagte auch Shea zu Jacques und sah ihm in die Augen. Und so war es tatsächlich, das spürte sie mit absoluter Gewissheit. Eines Tages würde 367
Jacques sich an seine Kindheit erinnern, an seine enge Freundschaft mit Byron und daran, wie er dessen Versuch einer Versöhnung zurückgewiesen hatte. Er musste es für seinen eigenen Seelenfrieden tun.
Ich weiß. Seine Antwort war eine leise Zustimmung.
»Ich gehe, Mikhail«, erklärte er laut. »Du bleibst hier und passt auf die Frauen auf. Das ist die einzige Möglichkeit.«
»Es könnte durchaus eine Falle sein«, warnte Gregori sie. »Das ist sogar mehr als wahrscheinlich. Ansonsten wäre es sehr achtlos von einem, der so gerissen ist.«
»Aus diesem Grund solltet ihr alle gehen«, meinte Raven. »Shea und ich warten hier. Wir können inzwischen alle Belege ihrer Forschungsarbeit vernichten.«
Shea schnappte unwillkürlich nach Luft. Im nächsten Moment hob sie kampflustig das Kinn. Sie würde sich von diesen mächtigen Wesen nicht einschüchtern lassen.
Ihre Augen blitzten einen nach dem anderen an. »Etliche Jahre meines Lebens stecken in diesen Forschungsergebnissen«, protestierte sie hitzig.
Raven nahm ihre Hand und drückte sie warnend, bevor sie Shea von Jacques weg- und direkt zur Tür der Hütte zog. »Na schön, Shea, wir bereden das in aller Ruhe.«
»Ihr verlasst diesen Ort und bringt euch in Sicherheit, wenn es spät wird oder ihr eine Warnung von uns erhaltet«, schärfte Mikhail seiner Gefährtin ein. »Spiel nicht die Heldin, Raven. Darauf musst du mir dein Wort geben.«
Raven lächelte ihn zärtlich an und nickte. »Ich würde niemals unser Kind in Gefahr bringen, mein Liebster.«
Mikhail streckte eine Hand aus und berührte Ravens 368
Gesicht, indem er mit seinen Fingerspitzen sanft über ihre Haut strich, während seine Gestalt sich schon zu verändern begann. Fell schimmerte auf seinen Armen und seinem Rücken. Sein kräftiger Körper krümmte sich, er machte einen
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