Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
zu binden, sodass wir sie nie verlassen können? Es ist nicht nur ihr Leben. Sie haben uns in dieses Leben hereingeholt, und sie haben kein Recht, nach Gutdünken zu entscheiden, was wir dürfen und was nicht.«
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Raven fuhr sich mit einer Hand durch ihr blauschwarzes Haar. »Ich habe es lange Zeit genauso empfunden.« Sie seufzte. »Ehrlich gesagt, sehe ich es immer noch so. Aber wir beurteilen sie eben nach menschlichem Standard. Sie sind eine völlig andere Spezies. Sie sind Raubtiere und haben ganz andere Ansichten über Recht und Unrecht.«
Wieder fuhr sich Raven durchs Haar und runzelte die Stirn. »Ich wollte noch mit dem Kinderkriegen warten.
Doch Mikhail sind Veränderungen an Gregori aufgefallen, und wir wussten beide, dass er Hoffnung braucht, um weiter durchzuhalten. Es macht mir trotzdem Sorgen, weil ich immer noch Probleme damit habe, mich an ihre Welt zu gewöhnen.«
Shea durchquerte den Raum und setzte sich neben Ravens Sessel aufs Bett. Sie hörte die Furcht in der Stimme der anderen Frau, und irgendetwas in ihr sprach darauf an. »Wenigstens sind wir jetzt zu zweit. Wir können uns gegen sie verbünden.«
Raven lachte leise. »Es ist ein ständiger Kampf, mich im Zusammenleben mit Mikhail zu behaupten. Ich fürchte, jetzt, da ich ein Kind erwarte, wird es noch schlimmer mit ihm werden.«
»Und du wirst noch dazu den Heiler im Nacken haben«, meinte Shea. »Er ist noch angsteinflößender als Jacques' Bruder.«
Raven stöhnte. »Ich wünschte, ich könnte dir widersprechen, aber Gregori wird schrecklich sein, einfach schrecklich! Ich kann es ihm allerdings nicht verübeln.«
»Ich habe nicht ganz verstanden, was er meinte, doch mir war klar, wie wichtig es ihm ist, dass ich gut auf dich 398
aufpasse.«
Raven zog ihre Füße unter sich. »Karpatianer bekommen selten Kinder. Irgendetwas verhindert, dass sie ein weibliches Kind bekommen, wenn sie überhaupt schwanger werden.«
Sheas Verstand konzentrierte sich sofort darauf, Informationen zu sammeln. »Kannst du mir mehr darüber erzählen?«
Raven nickte. »Ungefähr achtzig Prozent aller gezeugten Kinder sind männlich. Niemand weiß, warum.
Nur an die siebzig Prozent der Schwangerschaften werden ausgetragen. Die meisten Frauen erleiden Fehlgeburten, und zwar nicht unbedingt in den ersten drei Monaten. Es kann jederzeit passieren. Von den Kindern, die zur Welt kommen, überlebt nur eine Handvoll das erste Jahr. Wieder kennt niemand den Grund dafür. Das letzte Mädchen, das überlebt hat, wurde vor über fünfhundert Jahren geboren.« Raven seufzte. »Die Männer drohen zu verzweifeln. Mikhail und Gregori haben die Theorie entwickelt, dass nur menschliche Frauen mit echten übernatürlichen Fähigkeiten die Umwandlung zu einer Karpatianerin durchstehen können und die richtige chemische Zusammensetzung haben, um zur Gefährtin eines Karpatianers zu werden. Aber auch wenn die beiden recht haben, stehen wir vor einem gewaltigen Problem.
Ohne Frauen und Kinder kann die Spezies nicht überleben. Die Männer werden zu Vampiren, weil sie keine Hoffnung mehr haben.«
»Vielleicht ist es eine natürliche Art von Geburtenkontrolle. Karpatianer haben ein sehr langes Leben«, meinte Shea nachdenklich und mehr zu sich 399
selbst als zu Raven.
»Die Spezies wird bald aussterben, wenn wir nicht herausfinden, was los ist«, erklärte Raven traurig.
»Gregori ist großartig. Er hat seinem Volk viel gegeben und lange gelitten. Er verdient ein besseres Schicksal, als zu einem Vampir zu werden und von aller Welt gefürchtet und gehasst zu werden. Aus Achtung vor ihm würde Mikhail nie zulassen, dass ein anderer ihn jagt und vernichtet, aber es selbst zu tun, wäre für ihn eine unerträgliche Qual. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob es jemand allein mit unserem Heiler aufnehmen könnte. Es wäre furchtbar für Gregori, von denselben Leuten gejagt zu werden, die er beschützt und geheilt hat.«
»Gregori muss sich mit dem Rätsel, warum seit Jahrhunderten keine weiblichen Kinder mehr geboren worden sind, doch eingehend befasst haben. Bestimmt hat er nach all der Zeit einen Grand dafür gefunden.
Zumindest müsste er ein paar Ideen haben.« Shea juckte es förmlich in den Fingern, eine eigene Theorie zu entwickeln. Plötzlich wünschte sie, sie könnte sich mit Gregori unterhalten und alle Informationen bekommen, die er im Lauf der Jahrhunderte gesammelt hatte.
»Er hat auf jeden Fall hart daran gearbeitet. Vielleicht wäre es ganz gut, wenn
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