Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Sie konnte es kaum noch ertragen, seine Qualen mit anzusehen. »Wird es für dich jemals ein Ende nehmen?« Sie brauchte ein paar Minuten, um ihre Beherrschung wiederzufinden, bevor sie den Kopf hob und seinem dunklen Blick begegnete. »Ich werde dich betäuben. Anders kann ich es nicht machen. Wenn die Anästhesie nicht wirkt, haue ich dir mit irgendwas über den Kopf.« Sie meinte es ernst.
Sie würde ihn nicht so foltern, wie es diese Unmenschen getan hatten.
Er berührte mit einer Fingerspitze zart ihre Wange und strich eine Träne weg, die er lange anstarrte, bevor er sie an seinen Mund zog. Verwundert beobachtete sie diese intime Geste und fragte sich, warum ihr Herz auf eine Weise schmolz, wie sie es noch nie erlebt hatte.
Shea wusch sich gründlich, zog sterile Handschuhe an und setzte eine Operationsmaske auf. Als sie auch über sein Gesicht eine Maske ziehen wollte, warnte er sie mit einem stummen Entblößen seiner Schneidezähne und mit einem eisernen Griff um ihre Hand, den sie nicht 76
abschütteln konnte. Das Gleiche geschah, als sie es mit einer Injektionsnadel versuchte. Schwarze Augen blitzten sie an. Sie schüttelte den Kopf über ihn. »Tu mir das bitte nicht an. Ich bin kein Schlächter. Ich kann es so nicht machen.« Sie gab sich große Mühe, nicht weinerlich zu klingen. »Ich mache es nicht.« Sie starrten einander herausfordernd und in einem seltsamen geistigen Wettstreit an. Seine schwarzen Augen durchbohrten sie, forderten Gehorsam, und sein Zorn, der ständig unter der Oberfläche schwelte, begann, sichtbar zu werden.
Shea leckte sich nervös die Unterlippe und nagte dann mit den Zähnen daran. Ein Ausdruck von Befriedigung stahl sich m das schwarze Eis seiner Augen, und er legte sich mit der Gewissheit zurück, gewonnen zu haben.
»Zum Teufel mit deiner Sturheit!« Sie säuberte den Bereich rund um den Pfahl und setzte Klammern, wobei sie inständig Wünschte, sie hätte eine gute OP-Schwester und einen schweren Holzhammer zur Hand. »Zum Teufel mit denen, die dir das angetan haben!« Sie biss die Zähne zusammen und zog mit aller Kraft. Der Mann bewegte sich. Es war nur ein leichtes Beben von Muskeln, aber sie wusste, dass er Höllenqualen litt. Der Pfahl rührte sich nicht. »Verdammt! Ich habe dir doch gesagt, dass ich das Ding nicht herausziehen kann, wenn du bei Bewusstsein bist. Ich bin nicht stark genug.«
Er packte den Pfahl mit beiden Händen und riss ihn selbst heraus. Blut quoll aus der Wunde und bespritzte Shea. Sie verstummte, während sie sich verzweifelt bemühte, jede Quelle für eine Blutung, die sie finden konnte, abzuklemmen. Sie schaute ihn nicht an; ihre Konzentration richtete sich ausschließlich auf ihre Arbeit.
Shea war eine gewissenhafte Chirurgin. Sie arbeitete 77
methodisch, indem sie den Schaden in schnellem, stetigem Tempo reparierte und alles andere ausschloss.
Ihr ganzes Sein konzentrierte sich auf den Eingriff, und ihr Bewusstsein verband sich mit dem ihres Patienten, um ihn am Leben zu erhalten.
Jacques wusste, dass ihr nicht bewusst war, wie stark ihr geistiger Zugriff auf ihn war. Sie war völlig in das vertieft, was sie tat, und anscheinend fiel ihr gar nicht auf, dass sie geistig mit ihm verschmolzen war, um sein Leben zu retten. Hatte er sich möglicherweise getäuscht, was sie anging? Die Schmerzen waren unvorstellbar, aber dass diese Frau geistig mit ihm verbunden war, half ihm, die letzten spärlichen Reste seines Verstands zusammenzuhalten.
Zwei Mal brauchte sie mehr Licht für die Nähte, an denen sie stundenlang arbeitete. So viele Stiche, und als seine Brust genäht war, war sie immer noch nicht fertig.
Alle anderen Wunden mussten gesäubert und geschlossen werden. Die kleinste Verletzung erforderte einen einzigen Stich, die größte zweiundvierzig. Es ging immer weiter, die ganze Nacht hindurch. Ihre Finger waren fast taub, und ihre Augen schmerzten vor Anstrengung. Mit stoischer Ruhe fuhr sie fort, totes Fleisch abzutrennen, und zwang sich, Erde und ihren Speichel zu benutzen, obwohl es allem widersprach, was sie je während ihres Medizinstudiums gelernt hatte.
Erschöpft und benommen nahm sie schließlich Maske und Handschuhe ab und begutachtete ihr Werk. Er brauchte Blut. Seine Augen wirkten fast irr vor Schmerzen. »Du brauchst eine Transfusion«, erklärte sie müde. Sie zeigte mit dem Kinn auf das Transfusionsgerät. Die schwarzen Augen starrten sie un-78
beugsam an. Shea zuckte die Schultern; sie war zu müde, um mit
Weitere Kostenlose Bücher