Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
dem einen Sinn. Sie hatte seinetwegen viel durchgestanden. Hatte es einen Grund gegeben, warum sie seinem Ruf nicht gefolgt war?
Vielleicht hatten die Attentäter oder der Verräter auch ihre Spur aufgenommen. Aus welchem Grund auch immer, sie hatte schon jetzt von seiner Hand genug Leid 81
erfahren. Warum hätte sie ihn absichtlich im Stich lassen und seine Qualen verlängern sollen? Er erkannte Mitgefühl in ihr. Er fühlte dass sie bereit war, ihr Leben für seines zu geben. Wenn er a ihren Geist rührte, spürte er nur Güte und Licht. Das alles passte nicht zu der grausamen Verräterin, für die er sie gehalten hatte.
Jacques war in seiner momentanen Verfassung zu geschwächt und zu verletzlich, um sie oder sich selbst zu schützen. Shea war klein und zerbrechlich. Er war so allein gewesen, ohne Licht, ohne Farben. Er hatte eine ganze Ewigkeit in Einsamkeit verbracht, und er wollte nie wieder in diese hässliche, dunkle Welt zurückkehren.
Er ritzte seine Brust auf, zog ihren Kopf an sich und gab ihr den geistigen Befehl zu trinken. Sie an sich zu binden, war ebenso natürlich wie zu atmen. Er konnte es nicht ertragen, sie aus den Augen zu lassen. Shea gehörte zu ihm, und jetzt, in diesem Moment, brauchte sie Blut ebenso dringend wie er. Der Blutaustausch hatte stattgefunden. Ihr geistiges Band war stark. Wenn sein Körper geheilt war, würde er das Ritual vollenden, und sie würde für alle Zeiten unwiderruflich zu ihm gehören.
Es war ein Instinkt, so alt wie die Zeit selbst. Er wusste, was er tun musste und dass er es tun musste.
So klein sie auch war, sie fühlte sich gut in seinen Armen an, wie ein Teil seiner selbst. Nichts von allem ergab einen Sinn, doch daraufkam es in seiner engen Welt nicht an. Während sie trank, ihren weichen, sinnlichen Mund auf sein geschundenes Fleisch gepresst, hob er das Glas und leerte den Inhalt achtlos in einem Zug.
Als er gespürt hatte, dass sie im Bad einschlief, hatte er sie geweckt, weil er es nicht ertragen konnte, von ihr 82
getrennt zu sein. Jetzt würde sie an seiner Seite schlafen, wo sie hingehörte.
Nur so hatte er vielleicht eine Chance, sie zu beschützen, falls die Attentäter sie finden sollten. Er mochte seine Kräfte noch nicht wiedererlangt haben, aber das Tier in ihm war stark und tödlich. Niemand würde ihr etwas zuleide tun.
Die eine Erinnerung, die ihm geblieben war, die sich für immer in sein Denken eingeprägt hatte, war der Geruch der zwei Männer und des Verräters, der ihn in seine lebende Hölle gelockt hatte. Er würde die Stimmen seiner Peiniger und ihren Geruch erkennen. Dämonen.
Gott, wie hatten sie ihn leiden lassen und wie hatten sie sein Leiden genossen! Sie hatten gelacht, als sie ihn gequält und gemartert hatten, bis ihn Wahnsinn befallen hatte. Ein Wahnsinn, der immer noch anhielt. Er wusste, dass er um seine geistige Gesundheit kämpfte.
Niemals würde er den Hunger vergessen, als sie ihn hatten ausbluten lassen. Der Hunger hatte Löcher in ihn gebrannt, sich durch seinen Körper gefressen und ihn von innen heraus ausgehöhlt. Um zu überleben, hatte er geschlafen und dabei die Tätigkeit von Herz und Lungen eingestellt, damit er das Wenige behielt, was in seinem Körper an Blut geblieben war. Er war nur aufgewacht, wenn Nahrung in der Nähe war. Immer allein, unfähig, sich zu bewegen, und dabei ständig diese höllischen Schmerzen ! Er hatte gelernt, was Hass war. Er hatte gelernt, was rasende Wut war. Er hatte gelernt, dass ein Ort existierte, an dem es nichts gab, nur eine alles umfassende, hässliche Leere und das brennende Verlangen nach Rache.
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Hatten dieselben Unmenschen versucht, Shea zu fangen? Bei der Vorstellung, sie könnte ihnen in die Finger geraten, Wurde ihm übel, und er drückte sie fest an sich, um ihre beruhigende Nähe zu spüren. Wurde Jagd auf sie gemacht? Waren sie ihr dicht auf den Fersen?
Falls er sie zu Unrecht bestraft hatte, Würde er sich das nie verzeihen. Er hatte sie töten wollen, hätte es beinahe getan. Irgendetwas in ihm war nicht dazu in der Lage gewesen. Und dann hatte sie aufgehört, sich zu wehren, indem sie ihm ihr Blut dargeboten hatte, ihr Leben für seines.
Jacques hatte sich immer für hart und uneinnehmbar gehalten, aber bei ihrem Angebot war etwas in ihm geschmolzen. Und die Art, wie ihre Fingerspitzen über sein Haar strichen, ließ sein Herz schneller schlagen.
Er verfluchte seine Schwäche, die körperliche ebenso wie die geistige. Er brauchte mehr Blut,
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