Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
Die Sonne steigt höher, und du hast nicht genug Zeit, um dir eine Zuflucht vor dem Morgenlicht zu suchen. Ich kann nicht anders, als dir zu helfen und meinen Schutz anzubieten.«
Er wechselte mühelos zu einem Englisch mit starkem Akzent.
Seine Stimme schien direkt in sie hineinzugleiten. Er vermittelte den Eindruck, ein Gentleman und durchaus freundlich zu sein, aber er hatte sie weder losgelassen noch war er auch nur einen Zentimeter zur Seite getreten, um sie vorbeizulassen. Er atmete ein und sog ihren Duft in seine Lungen. Plötzlich veränderte sich sein ganzes Auftreten. Sein Körper versteifte sich, und seine Finger bohrten sich in ihren Arm. Weiße Zähne blitzten raubtierhaft auf. »Warum hast du nicht geantwortet, als ich dich ansprach?« Seine Stimme war leise und drohend.
Dieser scheinbar umgängliche Fremde war beängstigend.
»Lassen Sie mich los.« Sie sprach immer noch ganz ruhig, während ihr Verstand auf Hochtouren arbeitete und verzweifelt nach einem Ausweg suchte. Der Fremde schien alle Trümpfe in der Hand zu haben, aber...
»Sag mir, wer du bist«, verlangte er.
»Lassen Sie mich sofort los.« Sie senkte ihre Stimme und gab ihr einen weichen, hypnotischen Klang. »Sie sollen mich loslassen.«
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Die Augen des Fremden wurden schmal, als er den unterschwelligen Zwang in ihrer Stimme erkannte, und er schüttelte den Kopf. Wieder atmete er ihren Duft ein.
Sein Gesicht schien zu versteinern. »Ich kenne diesen Geruch ... Jacques. Er ist seit sieben Jahren tot, und doch fließt sein Blut in deinen Adern.« Eine tödliche Drohung schwang in seiner Stimme mit.
Einen Moment lang war sie starr vor Angst. War das der Verräter, von dem Jacques gesprochen hatte? Shea wandte heftig den Kopf, um seine Finger von ihrem Kinn zu lösen. »Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden.
Lassen Sie mich jetzt los!«
Byron ließ seinen Atem mit einem leisen, bösartigen Zischlaut entweichen. »Wenn du die nächste Nacht erleben willst, sagst du mir lieber, was du mit ihm gemacht hast.«
»Sie tun mir weh!« Er beugte sich weiter vor und neigte sich über ihren Hals, wobei er sie nach hinten durchbog, als sie versuchte, ihm zu entschlüpfen. Sein Atem blies heiß über ihre Kehle, und Shea schnappte nach Luft, als sie spürte, wie nadelscharfe Zähne über ihre Haut strichen. Mit einem leisen Schrei wich sie zurück. Ihr Herz hämmerte laut.
Ohne Vorwarnung zog er ihr Hemd am Kragen auseinander, um die Verletzungen an ihrem Hals zu begutachten. Sie konnte spüren, wie verwirrt und ratlos er war, und nutzte den Umstand, dass er kurzfristig abgelenkt war, sofort aus. So fest sie konnte, rammte sie ihm ihr Knie in den Unterleib und schrie dabei nach Leibeskräften. Byron sah so schockiert aus, dass sie beinahe gelacht hätte. Er war absolut sicher gewesen, dass sie nicht den Wunsch hatte, Aufmerksamkeit zu 192
erregen. Sein Zischen, ein tödliches Versprechen auf Vergeltung, war das Letzte, was sie hörte, bevor er verschwand.
Und er verschwand buchstäblich. Shea nahm nicht einmal die leiseste Bewegung wahr. Im einen Moment war er noch da und drückte sie mit seinem Körper an die Wand, und im nächsten war er fort. Ein feiner Dunstschleier vermischte sich mit den Nebelfetzen, die bis in Kniehöhe über dem Boden schwebten.
Zwei Polizisten, die ihre Schreie gehört hatten, kamen angelaufen. Shea, die eine Hand an ihren Hals hielt, um die kleine blutende Wunde dort zu verbergen, ließ sich von den beiden beruhigen und davon überzeugen, dass das Tier, das sie im Schatten zu sehen geglaubt hatte, wohl eher ein streunender Hund und nicht ein Wolf gewesen war. Kopfschüttelnd gingen die Männer wieder und lachten darüber, wie dumm Frauen doch manchmal sein konnten.
Shea verstaute ihre Vorräte im Wagen und ließ sich dabei so viel Zeit, wie sie glaubte, riskieren zu können.
Wenn die Sonne ihr schon zusetzte, musste sie auf ihren Angreifer genauso verheerend wirken, falls er so war wie Jacques. Hatte sie es vielleicht mit einem Vampir zu tun gehabt? Bisher war Don Wallace ihr Albtraum gewesen, aber sie vermutete, dass das hier noch viel schlimmer war. Sorgfältig packte sie die Blutkonserven zwischen die Eisblöcke in ihrer Kühltasche. Sie musste das Blut irgendwie zu Jacques bringen, ohne eine Spur für den Vampir zu hinterlassen.
Sie wartete ab, zögerte die Abfahrt hinaus. Die Sonne stieg höher am Himmel und brannte direkt durch die dünne Baumwolle ihrer Kleidung auf ihre Haut. Ihr
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