Karparthianer 02 Dunkle Macht des Herzens
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breitkrempiger Hut und ihre Sonnenbrille boten nur wenig Schutz. Trotzdem hielt Shea es für sicherer, so lange wie möglich unter Menschen zu bleiben, so lange, bis ihre Schwäche sie zwang, ihren Wagen irgendwo im Schatten der Wälder abzustellen und sich auszuruhen.
Etwas regte sich in ihrem Bewusstsein, ein vertrautes Zeichen, das sie sofort voller Erleichterung begrüßte. Sie Heß sich geistig mit Jacques verschmelzen. Er war sehr schwach, und die wenige Kraft, die er besaß, schwand mit dem Steigen der Sonne dahin. Shea ärgerte sich über sich selbst, weil sie nicht schon früher daran gedacht hatte, ihn zu beruhigen. Sie hätte wissen müssen, dass er ihre Angst auch von Weitem spüren konnte.
Geht es dir gut?
Ja, Jacques. Tut mir leid, dass ich mich nicht gemeldet habe.
Sie bemühte sich, Ruhe zu bewahren und ihn nichts von ihren Ängsten spüren zu lassen. Das Letzte, was sie wollte, war, dass der wilde Mann einen Rettungsversuch für sie unternahm. Und das würde er tun, das wusste sie.
Er würde sich umbringen bei dem Versuch, zu ihr zu kommen.
Du bist in der Sonne. Ich fühle dein Unbehagen. Es war ein Tadel von der Sorte, wie Shea sie allmählich gewöhnt war. Je kräftiger Jacques wurde, desto öfter schlich sich eine gewisse Arroganz in seine Stimme.
Ihre Augen tränten unaufhörlich hinter den dunklen Brillengläsern. Sie holte tief Luft und ließ sie langsam wieder heraus, bevor sie den Sprung ins kalte Wasser wagte. Einer von deiner Art war hier. Ich glaube jedenfalls, dass er einer von euch ist.
Seine Reaktion war explosiv. Rasender Zorn, Angst um sie und eine nahezu unkontrollierbare Eifersucht.
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Jacques musste sich zwingen, sich ruhig zu verhalten und Shea ausreden zu lassen. Er wusste, dass seine heftigen Emotionen sie ängstigten. Sie ängstigten ihn selbst. Gefühle waren ihm fremd, und manchmal konnten sie überwältigend sein.
Er hat deinen Geruch erkannt, dich sogar bei deinem Namen genannt. Er wollte wissen, wo du bist. Sei bitte vorsichtig, Jacques. Ich habe Angst. Ich habe dich völlig schutzlos zurückgelassen. Ich glaube, er wird sich auf die Suche nach dir begeben.
Hat er dich berührt? Dein Blut genommen? Er fragte es gebieterisch, und sie spürte die Wut, die in ihm kochte.
Sie legte eine Hand an die blutende Wunde an ihrem Hals. Das würdest du wissen, sagte sie besänftigend.
Etwas von seinem ohnmächtigen Zorn verrauchte. Wo bist du?
Einstweilen bin ich in Sicherheit, aber ich bin überzeugt, dass er mich heute Abend verfolgen wird. Ich möchte ihn nicht zu dir führen.
Du kommst heute Nacht zu mir zurück. Direkt. Er darf dich nicht berühren, darf nicht dein Blut mit seinem tauschen!
Mit mir ist alles in Ordnung. Du bist es, der vorsichtig sein muss, Jacques. Sie versuchte, ihn zu beruhigen. Ich habe Angst um dich, Angst, dass ich ihn zu dir führe oder dass er dich findet, während ich weg bin.
Du begreifst nicht, in welcher Gefahr du schwebst. Du musst zu mir kommen.
Shea begriff es vielleicht wirklich nicht ganz, aber sie konnte seine Gewissheit fühlen, die Angst, die er um sie ausstand, und sie erschauerte, als sie sich daran erinnerte, mit welcher Kraft der Fremde sie gehalten hatte und wie bedrohlich sein bösartiges Zischen 195
geklungen hatte. Keine Sorge, ich mache mich sofort auf den Weg. Versuch zu schlafen, Jacques. Das ist sehr anstrengend für dich.
Shea. Einen Moment lang herrschte Stille. Komm zu mir zurück. Wenn du auch sonst nichts von dem glaubst, was ich dir erzählt habe, glaub mir wenigstens, dass ich dich brauche.
Versprochen. Shea legte ihre Stirn an das Lenkrad. Sie war schrecklich müde, und ihre Augen waren verschwollen. Noch verhinderten die getönten Scheiben des Wagens, dass sich Blasen auf ihrer Haut bildeten, aber lange würde der Schutz nicht mehr halten. Ihr Körper schien schwer und kraftlos zu sein, fast unbeweglich. Sie konnte es sich nicht leisten, noch länger zu warten; sie konnte nur hoffen, dass der Vampir bereits in seinem Versteck war und nicht sehen konnte, wohin sie fuhr.
Sie fuhr in die Berge. Zuerst nahm sie die Straße, um Zeit zu sparen, und fuhr so schnell es auf der kurvenreichen Schotterpiste möglich war. Als das Sonnenlicht unerträglich wurde, suchte sie sich ihren eigenen Weg, indem sie einem Wildtierpfad folgte, der stetig bergauf und tief in die Wälder führte. Das schwere Laubdach der Bäume verschaffte ihr ein wenig Erleichterung vor der Sonne, die unerbittlich auf ihre Haut
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