Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
würden die drei für Trunkenbolde halten, die ihren Rausch ausschliefen. Vermutlich würde man meinen, das Blut auf dem Hemd des einen stamme von heftigem Nasenbluten.
Die Verwandlung hatte in Alexandria begonnen, wie Aidan es vorausgesehen hatte. Und er war dafür verantwortlich, wenn auch unabsichtlich und ohne es zu wissen. Die Schuldgefühle quälten ihn sehr. Aidan hatte zwei Bisswunden an Alexandrias Hals gesehen, was bedeutete, dass der Vampir bereits zwei Mal einen Blutaustausch vorgenommen hatte. Als Aidan sie für eine Untote gehalten hatte, war sie beinahe durch seine Hand gestorben. Doch als er seinen Fehler bemerkt hatte, hatte er dafür gesorgt, dass sein Blut ersetzte, was ihr fehlte. Viermaliger Blutaustausch verwandelte eine Sterbliche, entweder in eine Karpatianerin oder eine Untote.
Und es gab kein Zurück. Die meisten sterblichen Frauen überlebten die Verwandlung nicht oder verloren den Verstand. Nur wenige Frauen, diejenigen, die über echte telepathische Kräfte verfügten, 72
überlebten die Tortur unbeschadet und trugen die Hoffnung auf die Fortsetzung der karpatianischen Rasse in sich, da die geborenen Karpatianerinnen sich als unfruchtbar erwiesen.
Der vierte Blutaustausch, der Alexandria verwandelte, band sie auch für immer an ihren Gefährten. Zwar mochte es selbstsüchtig gewesen sein, diese Entscheidung ohne ihre Einwilligung getroffen zu haben, doch sie war immerhin seine einzige Rettung. Aidan hatte so viele Jahrhunderte ausgeharrt und auf seine Gefährtin gewartet, immer einen Schritt davon entfernt, selbst zu einem Untoten zu werden. Ob sie nun einverstanden war oder nicht, Alexandria war seine Gefährtin, nicht Yohenstrias. Alle
Anzeichen sprachen dafür. Außerdem hatte er immerhin alles versucht, um Alexandria so viel wie möglich von seinem eigenen starken, uralten Blut zu geben, um das Gift des Vampirs zu verdünnen und ihr die Umwandlung zu erleichtern.
Aidan spürte ihren hilflosen, schmerzerfüllten Aufschrei in seiner Seele. Alexandria war verwirrt und verängstigt, aber dennoch geistig mit ihm verbunden, ohne dass sie davon wusste. In ihren Gedanken konnte Aidan lesen, wie sehr sie sich vor ihm ängstigte. Gleichzeitig befürchtete sie jedoch auch, er könne sie verlassen haben oder gar ihre Qualen genießen, wie es der Vampir getan hatte. Doch am meisten sorgte sie sich um ihren Bruder Joshua, da sie glaubte, er sei allein und schutzlos im Haus eines Vampirs gefangen, der so mächtig war, dass er einen anderen Untoten im Handumdrehen getötet hatte.
Aidan erhob sich in den Nachthimmel, um so schnell wie möglich zu ihr zurückzukehren. Es kümmerte ihn nicht, ob irgendjemand die riesige Eule entdeckte, die über die Stadt flog, denn Alexandria brauchte ihn. Sie flehte Marie an, einen Arzt zu rufen. Marie war verzweifelt, weil sie Alexandrias Wunsch gern erfüllt hätte, jedoch wusste, dass nur Aidan ihr wirklich helfen konnte. Er hörte jedes Wort, Alexandrias leise Stimme und die Antworten der Haushälterin, die den Tränen nahe war. Aidans Geist War mit dem Alexandrias 73
verbunden, sodass er all ihre Empfindungen miterlebte, als wären es seine eigenen. Verwirrung. Schmerzen. Furcht, die sich zu wilder Panik steigerte.
Er flog zu ihr, um in der Nähe zu sein, wenn sie nach ihm rief. Und Aidan hoffte inständig, dass es bald dazu kommen würde.
Alexandria brauchte ihn, doch er hatte ihr versprochen, sie zu nichts zu zwingen. Sie musste seine Hilfe wollen.
Vor dem unterirdischen Schlafzimmer ging er unruhig auf und ab, während Alexandrias Schmerzensschreie sein Herz wie spitze Glasscherben durchbohrten. Immer wieder streckte er die Hand nach der Tür aus, hätte sie am liebsten geöffnet, ja eingetreten, wenn es sein musste. Doch er hielt sein Wort. Alexandria musste nach ihm rufen und so ihr Vertrauen zu ihm ausdrücken. Sonst würde sie niemals daran glauben, dass er ihr helfen und nicht etwa schaden wollte. Aidan lehnte kurz seine Stirn an die kühle Türfüllung. Sein Kopf schmerzte unsagbar. Die körperlichen Schmerzen, die er aufgrund der geistigen Verbindung zu Alexandria empfand, vermochte er zu unterdrücken, doch sein Herz und seine Seele litten unendlich unter ihrer Pein.
Der Albtraum schien kein Ende zu nehmen. Aidan spürte es genau, als Alexandria auf allen vieren über den Boden kroch, in dem verzweifelten Versuch, ihrem eigenen Körper zu entfliehen. Sie erbrach sich, denn ihr Körper wehrte sich heftig gegen die Veränderungen, die mit
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