Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
stärker, als Aidan angenommen hatte. Alexandria hätte seinen Tod nicht überleben können. Sie waren auf ewig miteinander verbunden. Er selbst hatte die uralte Formel ausgesprochen, durch die ihre Seelen vereint worden waren, als zwei Hälften eines Ganzen.
Aidan seufzte und verwünschte seinen Hunger. Er konnte die Erde nicht aufsuchen, ohne mehr Nahrung zu sich genommen zu haben. Also wartete er ungeduldig, bis er Stefans Schritte näher kommen hörte. Die schwere Holztür knarrte, und Stefan stellte einige Weinflaschen auf den Boden, ehe er sich zurückzog und Aidan mit seiner Gefährtin allein ließ.
Hastig stolperte Aidan auf die Flaschen zu, griff nach der ersten und leerte sie in wenigen Zügen. Stefan hatte ihm fünf volle Flaschen gebracht, und selbst nachdem Aidan alles ausgetrunken hatte, verlangte sein Körper nach mehr.
Immerhin hatte er aber genug Kraft geschöpft, um mit einem Wink das Bett zur Seite zu schieben und die Falltür zu öffnen, welche die kühle, heilende Erde freigab. Aidan konzentrierte sich darauf, genügend Platz für sich und Alexandria zu schaffen, dann hob er sie auf seine Arme und begab sich mit ihr in den Schutz des Erdreichs. Er umfing seine Gefährtin und begann dann, die komplizierten Formeln zu sprechen, die den Eingang zur Schlafkammer sicherten. Die Falltür schloss sich, und das Bett schob sich wieder in seine ursprüngliche Position. Aidan schloss das Erdreich über sich und Alexandria und verlangsamte dann Herzschlag und Atmung, während er bereits die heilende Wirkung der Erde spürte, die sich auf seine Wunden legte. Sein Puls flatterte, seine Lungen hoben und senkten sich ein letztes Mal, bevor er in den tiefen Schlaf der Karpatianer fiel.
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Stefan schloss die Tür zum Kellergeschoss. Er wusste, dass Aidan vielleicht für mehrere Tage dort unten bleiben würde, und hoffte, dass er ihn mit genügend Blut versorgt hatte. Wenn er erwachte, würde Aidan zuerst für Alexandria sorgen, bevor er sich auf die Jagd machte. Bis dahin musste Stefan das Haus bewachen und Marie und Joshua beschützen.
Marie wischte gerade den Boden auf, als Stefan ins Erdgeschoss zurückkehrte. Sie wandte sich zu ihm um und warf ihm einen fragenden Blick zu. Stefan umarmte sie zärtlich. »Er wird überleben, Marie. Mach dir keine Sorgen.«
»Und Alexandria?«
Stefan lächelte erschöpft. »Sie war erstaunlich. Obwohl sie nichts mit uns zu tun haben will, hat sie Aidan das Leben gerettet, ohne zu zögern.«
»Sie wird seine Erlösung sein. Aber du hast Recht, Stefan: Sie möchte nicht bei uns sein.« Maries Stimme klang traurig, voller Mitgefühl für Alexandria.
»Sie versteht noch nicht, was mit ihr geschehen ist«, entgegnete Stefan seufzend. »Ehrlich gesagt, Marie, ich möchte nicht mit ihr tauschen. Sie weiß nicht, welche Unterschiede zwischen Aidan und den Vampiren bestehen. Sie musste schreckliche Dinge durchleben und wurde auf ewig ihrer Freiheit beraubt. Selbst mit ihrem Bruder kann sie nicht mehr so viel Zeit verbringen, wie sie möchte.«
»Wir müssen Geduld mit ihr haben.«
Stefan lachte leise. »Er wird Geduld haben müssen. Und sie wird ihm mehr Widerstand leisten, als er es je erlebt hat. Er ist eben nicht an junge, unabhängige amerikanische Frauen gewöhnt.«
»Der Gedanke bereitet dir diebisches Vergnügen, stimmt's?«, fragte Marie verschmitzt.
»Allerdings. Aidan hat nie verstanden, wie du es schaffst, mich so mühelos um den Finger zu wickeln, aber er wird es bald 146
herausfinden.« Er gab Marie einen sanften Kuss und streichelte ihre Schulter. »Ich muss noch den Wagen und die Einfahrt säubern, und dann gehen wir ins Bett. Stefan lächelte hintergründig. Lachend blickte Marie ihm nach.
Die Sonne stand hoch am Himmel und vertrieb die Nebelschwaden, die vom Meer heraufstiegen. Marie und Stefan brachten Joshua zur Schule und warteten, bis sie sicher waren, dass niemand dem Jungen gefolgt war. Die Morgenzeitung hatte einen Bericht über die beiden Männer gebracht, deren bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Leichen in der Nacht entdeckt worden waren. Man vermutete, dass die beiden miteinander gekämpft hatten, unc dass einer von ihnen den anderen mit Benzin übergössen und dabei auch sich selbst versehentlich benetzt hatte. Der Kanister, den man am Tatort sichergestellt hatte, wies die Fingerabdrücke eines der Opfer auf.
Stefan wich Maries besorgten Fragen aus. Er wollte nicht daran erinnert werden, wie er Ramons Hand auf den Kanister gepresst hatte.
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