Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
und blickte die Haushälterin warnend an. »Halte den Jungen von mir fern«, befahl er ihr.
Marie blieb wie angewurzelt stehen und griff sich vor Schreck an die Kehle. Aidan war schmutzig und voller Blut, und Alexandria lag blass und leblos in seinen Armen.
»Marie!« Stefans Stimme riss sie aus ihrem Schockzustand.
Schnell lief sie auf Joshua zu, um ihn abzufangen und ihm den schrecklichen Anblick zu ersparen. Tränen strömten ihr über die Wangen, als sie den Jungen an die Hand nahm und mit ihm den Flur entlangeilte.
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Joshua strich ihr über die Wange. »Du brauchst nicht zu weinen, Marie. Hat dir jemand wehgetan?«
Die Haushälterin versuchte sich zusammenzunehmen. Joshua durfte sein Zimmer nicht verlassen, bevor sie Gelegenheit hatte, den Flur zu reinigen, der voller Blut und Erde war. Also musste sie den Jungen irgendwie dazu bringen, dass er wieder einschlief. »Nein, Josh, es ist nicht so schlimm. Ich habe nur schlecht geträumt. Du hast doch bestimmt auch manchmal Albträume.«
»Alexandria sagt, wenn man ein Gebet spricht und an lauter schöne Dinge denkt, hat man keine bösen Träume mehr.« Joshua schmiegte seine Wange an Maries. »Bei mir klappt das immer. Ich bete gleich mit dir, wie Alex es mir beigebracht hat, und dann hast du nur noch schöne Träume.«
Marie lächelte über die Unschuld des Jungen. Sie hatte drei erwachsene Kinder, aber Joshua brachte ihr die Erinnerungen an sorglose Tage der Kindheit zurück. Sie umarmte den Kleinen.
»Danke schön, Joshua. Deine Schwester ist sehr klug. Du hast Glück, dass sie bei dir ist.« Marie unterdrückte ein Schluchzen. »Was hast du eigentlich mitten in der Nacht hier zu suchen. Es ist vier Uhr morgens. Schäme dich, junger Mann.«
»Ich dachte, Alexandria wäre in ihrem Zimmer, aber da war sie nicht. Also wollte ich sie suchen.« In Joshuas Blick war die Angst um seine Schwester nur allzu deutlich zu lesen.
»Aidan hat sie an einen besonderen Ort gebracht, damit sie sich ausruhen kann. Sie ist noch immer krank, Joshua, also müssen wir Geduld haben, bis er sie gesundgepflegt hat.«
»Wird sie denn wieder gesund?«, fragte Joshua besorgt.
»Aber ja! Aidan würde niemals zulassen, dass ihr etwas geschieht. Er wird auf sie aufpassen, das weißt du doch.«
»Kann ich sie anrufen?«
Marie legte ihn ins Bett und deckte ihn zu. »Im Augenblick nicht.
Sie schläft, und das solltest du auch tun. Ich bleibe bei dir, bis du eingeschlafen bist.«
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Joshua lächelte glücklich und vertrieb damit Maries Kummer.
»Ich könnte dir das Gebet beibringen.«
Sie setzte sich neben sein Bett, nahm seine Hand und lauschte der klaren Kinderstimme, während Josh mit Gott sprach.
Stefan legte Aidan den Arm um die Taille, um ihn zu stützen, spürte jedoch, dass Aidan die Berührung unangenehm war. Er wusste, wie verzweifelt der Karpatianer gegen seinen Hunger ankämpfte.
Aidan brauchte Blut, und sein Hunger drohte ihn zu überwältigen. Beinahe wie ein lebendiges Wesen kroch das Verlangen durch seinen Körper und nistete sich in seinen Gedanken ein, bis er kaum noch etwas anderes wahrnahm. »Schnell, Stefan, du musst jetzt gehen«, erklärte er rau und versuchte, den älteren Mann von sich zu stoßen.
»Ich bringe dich in die Kammer, Aidan«, erwiderte Stefan fest.
»Du wirst mir nichts tun. Schließlich hältst du deine Gefährtin in den Armen. Sie ist deine Erlösung-Und außerdem habe ich dir mein Leben schon öfter angeboten, als ich zählen kann. Wenn du mein Angebot jetzt annehmen musst, um dich und deine Gefährtin zu retten, habe ich nichts dagegen.«
Aidan presste die Lippen zusammen und unterdrückte seine animalische Seite mit aller Kraft. Sein Lebenswille war stark, das Verlangen nach frischem Blut beinahe überwältigend. Er bemühte sich, Stefans lockenden Herzschlag zu ignorieren.
Als sie die Kammer erreicht hatten, ließ Stefan Aidan los und wich zurück, da er wusste, dass seine Anwesenheit den Karpatianer quälte. Dennoch wusste er, dass Aidan ihm niemals etwas zuleide tun würde. Er vertraute ihm mehr, als Aidan sich selbst vertraute.
»Ich hole das Blut, Aidan.«
Der Karpatianer nickte knapp und legte Alexandria vorsichtig aufs Bett, bevor er sich neben ihr ausstreckte und zärtlich über ihren 144
langen Zopf strich. Sie hatte ihm das Leben gerettet und angenommen, dass sie ihres dabei verlieren würde. Aus freien Stücken war sie bereit gewesen, ihr Leben für ihn zu opfern. Die Verbindung zwischen ihnen war bereits
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