Karparthianer 03 Der Fürst der Nacht
überleben.
Der Geruch von Blut drang ihm in die Nase. Warm und frisch. Es pulsierte in den Adern lebendiger Menschen. Aidans animalische Instinkte drohten ihn zu überwältigen, doch der Instinkt, seine Gefährtin zu retten, erwies sich als stärker. Er musste seinen quälenden Hunger stillen. Ein Mann, eine Frau, ein Kind. Aidan konnte in letzter Sekunde großes Unheil verhindern, indem er sich mit aller Kraft zusammennahm, bis er die Vorbereitungen für die Jagd getroffen hatte.
Wenige Minuten später eilte er durch den schmalen, unterirdischen Tunnel, so schnell, dass niemand seinen Weg hätte verfolgen können. Aidan wies keinerlei Spuren von Blut und Erde auf. Er war elegant gekleidet und hatte sein langes blondes Haar im Nacken zusammengebunden. Ungestört passierte er den Gang, der zum Erdgeschoss führte. Als er die Hand ausstreckte, um die Tür zur Küche zu öffnen, nahm er die Anwesenheit einer Frau wahr, die die Küche durch eine andere Tür betrat. In Erwartung eines Mahles, das seinen Hunger stillen würde, begann Aidans Herz schneller zu 152
schlagen, doch er hatte sich schnell wieder in der Gewalt. Aidan presste die Stirn an die Tür und konzentrierte sich darauf, der Frau den telepathischen Befehl zu geben, sich in Sicherheit zu bringen.
Marie würde sich plötzlich im Wohnzimmer wieder finden, ohne sich erklären zu können, wie sie dorthin gelangt war, doch es würde sie davor bewahren, seinem Hunger zum Opfer zu fallen. Sobald sie sich in sicherer Entfernung befand, eilte Aidan durch die Küche in den Garten.
Im Freien verführten die Düfte und Geräusche der Nacht Aidans geschärfte Sinne und erzählten ihm vom Leben, das ihn umgab. Ein Kaninchen kauerte unter einem Strauch, starr vor Angst vor dem unheimlichen Raubtier, dessen Anwesenheit es spürte. Das Herz des Kaninchens klopfte rasend schnell. In den Häusern der Nachbarschaft konnte Aidan genau spüren, wo sich die Menschen aufhielten und was sie gerade taten - schlafen, einen Happen essen, sich lieben, miteinander streiten. Der dichte Nebel hüllte Aidan ein und erschien beinahe wie ein Teil von ihm.
Drei Tage und zwei Nächte hatte er in der heilenden Erde geruht, und wenn er nun Nahrung zu sich nahm, würde er stärker sein als je zuvor. Der Hunger drohte ihn zu überwältigen, und mit einem leisen Knurren schwang sich Aidan in die Lüfte, gefährlicher und Furcht einflößender als alle Kreaturen, die Thomas Ivan je erfunden hatte. Er war auf der Jagd nach lebender, atmender menschlicher Beute, und in dieser Nacht ging eine große Gefahr von ihm aus, denn er würde vielleicht nicht in der Lage sein, das Leben seiner Opfer zu schonen.
Als kaum sichtbarer Schatten flog Aidan auf den Golden Gate Park zu, den er als Jagdgebiet ausgewählt hatte. Dichter Nebel lag über dem Park und bot Aidan Deckung. Er landete lautlos und nahm wieder seine menschliche Gestalt an, sobald er den Boden berührte.
Nur wenige Meter von ihm entfernt stand eine Gruppe junger Männer. Sie schienen noch halbe Kinder zu sein, trugen aber 153
dennoch stolz Jacken in den Farben ihrer Straßengang und stachelten sich gegenseitig für den Kampf mit ihren Rivalen auf. Alle trugen Waffen, und mindestens die Hälfte der Jungen hatte Drogen genommen. Eine Flasche Wein machte die Runde.
Aidan witterte ihre Anspannung und die Angst, die sie hinter großspurigen Sprüchen zu verbergen suchten. Doch es war das Rauschen des Blutes, das in ihren Adern floss, von dem Aidan sich angezogen fühlte. Er konzentrierte sich auf jeden Einzelnen der jungen Männer, um einen zu finden, in dessen Blut sich keine Drogen befanden. Komm zu mir. Komm schnell zu mir. Du musst dich beeilen. Aidan rief gleich mehrere Jungen zu sich, so groß war sein Hunger. Dem Rest der Gruppe gab er die Anweisung, die Abwesenheit ihrer Freunde nicht zu bemerken.
Aidan packte einen der Männer bei den Schultern und senkte die Zähne tief in seinen Hals. Die warme Flüssigkeit nährte ihn, und er spürte, wie seine Kräfte zurückkehrten. Beinahe hätte er auch den letzten Tropfen Blut getrunken, doch der Gedanke an Alexandria hielt ihn in letzter Sekunde davon ab. Sie war bereit gewesen, ihr Leben für ihn zu opfern, und Aidan konnte nicht zulassen, dass seine animalische Seite die Oberhand gewann. Ale-xandrias Mut wäre umsonst gewesen, wenn er den Mann tötete und damit seine Seele verlor.
Schnell rief sich Aidan Alexandrias Gesicht ins Gedächtnis: die sanften Rundungen ihrer Wangen, die Länge
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