Karparthianer 04 Magie des Verlangens
drückte Selbstvertrauen aus. Gregori ging davon. Er überquerte den Platz allein, doch Savannah und Gary schienen noch an seiner Seite zu sein. In Wirklichkeit schlenderten die beiden in die entgegengesetzte Richtung, wie harmlose Touristen, die sich New Orleans ansahen.
Dunkle Wolken zogen sich am Himmel zusammen und brachten einen hauchfeinen Regen mit sich, der in der Hitze der Nacht wie Dampf aufstieg. Savannah konzentrierte sich auf ihre Aufgabe. Es fiel ihr nicht schwer, sich unsichtbar zu machen, wenn sie Sterblichen ausweichen wollte, doch sie hatte noch nie versucht, jemand anderen vor neugierigen Blicken zu schützen.
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Beherzt verdrängte sie jeden Gedanken an die Gefahr, in der Gregori schwebte, und versuchte zu vergessen, dass er in dieser Nacht einmal mehr töten musste. Sie fasste Gary an den Schultern und drehte ihn in Richtung der Ladenpassage, die zu dem großen Platz führte. »Halten Sie sich dicht an den Läden und gehen Sie einfach weiter, auch wenn es so aussieht, als würden Sie mit einem anderen Fußgänger zusammenstoßen.«
Gary stellte keine Fragen, doch Savannah spürte sein Herz-klopfen. Vom Fluss stieg dichter Nebel auf, den der Wind über den Platz und durch die Straßen trieb. Die Leute begannen, lauter zu reden und zu lachen, um ihr plötzliches Unbehagen zu verbergen. Denn mit dem Nebel kam ein Gefühl der Bedrohung, die Ahnung des Bösen, das im Dunst lauerte.
Gregori hielt die Illusion aufrecht, dass Savannah und Gary mit ihm am Flussufer entlangschlenderten. Sie schienen nebeneinander zu gehen und sich leise miteinander zu unterhalten. Der Karpatianer versuchte, sich möglichst weit von allen Sterblichen zu entfernen. Er wusste, dass er verfolgt wurde, doch die Verfolger sahen nur, was er ihnen vorgaukelte.
Sie waren Ghouls, seelenlose Marionetten, die nur die Befehle ihres Meisters ausführten. Ein leises Zischen entrang sich Gregoris Kehle, als das Raubtier in ihm erwachte und darauf drängte, freigelassen zu werden.
Seine Muskeln streckten sich, pulsierten, während das vertraute Gefühl unbezähmbarer Kraft seinen Körper durchflutete. Gregori lachte leise und sandte damit eine klare Herausforderung an seine Verfolger. Flüchtig berührte er Savannahs Gedanken, um sich zu vergewissern, dass sie und Gary schon beinahe zu Hause waren. Sie verstand es großartig, sich und Gary vor den Blicken der Passanten zu schützen, obwohl sie noch so jung war und wenig Erfahrung mit den Fähigkeiten der Karpatianer hatte. Gregori war stolz auf sie.
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Unbemerkt bahnte sie sich einen Weg zwischen den Touristen hindurch, die aus der Preservation Hall strömten. Die Aufgabe war schwierig, doch Savannah meisterte sie ohne Mühe.
Gregori ließ die beiden Trugbilder, die er geschaffen hatte, über den Fluss gleiten, wo sie sich allmählich auflösten. Er dagegen überquerte das Wasser und bewegte sich auf den Algiers Pier zu, wobei er sich vergewisserte, dass die Untoten seinen Weg genau verfolgen konnten. Die willenlosen Sklaven des Vampirs kannten nur noch den Zwang zu töten. Gregori lächelte kalt. Der Vampir, der es auf Savannah abgesehen hatte, ahnte nicht, dass er hier in New Orleans Gregori, dem Dunklen, gegenübertreten würde.
Julian Savage war ein großer Jäger, beinahe so geschickt und mächtig wie Gregori selbst. Wenn Julian sich in New Orleans niedergelassen hatte, ohne den Anführer der Vampire vernichtet zu haben, konnte das nur bedeuten, dass der Untote aus der Stadt floh, wann immer Julian zurückkehrte. Offenbar machte es dem Vampir nichts aus, andere seiner Art zu opfern.
Die Untoten verbündeten sich oft gegen einen Jäger, doch sie verhielten sich natürlich nicht loyal.
Gregori wartete am Flussufer im Schatten einiger Bäume. Er hörte das dumpfe Knurren der beiden Angreifer, die sich übers Wasser näherten. Der Motor ihres Bootes stotterte und heulte, doch sie versuchten nicht einmal, sich leise zu verhalten.
Ghouls kannten nur den Zwang, die Befehle des Vampirs auszuführen, sie hatten keine anderen Impulse, kein anderes Leben. Sie waren Sklaven, hilflose Marionetten, die einst Menschen gewesen waren, jetzt aber das verdorbene Blut des Vampirs brauchten, um zu existieren. Sie schliefen in Abwäs-serkanälen oder verscharrten sich in der Erde, um der tödlichen Sonne zu entgehen. Normalerweise töteten Vampire ihre Opfer, doch wenn sie Diener brauchten, die ihnen zu Willen waren, 265
zwangen sie die Opfer dazu, von ihrem Blut zu trinken, das ihnen
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