Karparthianer 04 Magie des Verlangens
den freien Willen und die Seele raubte.
Doch die Ghouls stellten dennoch eine Gefahr dar. Sie verfügten über enorme Körperkräfte, waren gerissen, und selbst die meisten Karpatianer wurden nur schwer mit ihnen fertig.
Sterbliche hatten kaum eine Chance gegen sie. Gregori schauderte bei dem Gedanken an Savannah in der Gewalt dieser beiden Ungeheuer. Sie war noch unerfahren und nicht in der Lage, die Kreaturen zu töten. Vielleicht hätte er sie aus der Entfernung unschädlich machen sollen. Schon vor langer Zeit hatte Gregori alle nur erdenklichen Tötungsarten der Karpatianer und der Sterblichen erlernt, wollte aber sichergehen, dass keine Unschuldigen in den Kampf verwickelt wurden. Außerdem sollte der Vampir begreifen, mit wem er es hier zu tun hatte. Gregori. Der Dunkle.
Das Boot lief auf eine dicke Baumwurzel, die aus dem trüben Wasser ragte. Gregori machte keine Anstalten, sich vor den beiden Ghouls zu verstecken, sondern wartete auf sie, während sich zu seinen Füßen Nebelschwaden ausbreiteten.
Die seelenlosen Marionetten stiegen ungelenk aus dem Boot.
Wasser spritzte in alle Richtungen. Gregori atmete tief ein und spürte die plötzliche Spannung in der Luft. Der Vampir glaubte, seine Falle habe zugeschnappt. Er war bereits vor Julian geflohen und schien zu glauben, es nur mit einer jungen, unerfahrenen karpatianischen Frau zu tun zu haben.
Die Ghouls erklommen mühsam die Uferböschung. Zwei Mal fiel der rothaarige Mann laut platschend ins Wasser. Dann trennten sich die beiden, um aus beiden Richtungen anzugreifen.
Du solltest eines wissen, Untoter, sprach Gregori den Vampir telepathisch an. Ein Zögern lag in der Luft, als sich der Vampir plötzlich darüber klar wurde, dass es sich bei dem ungewöhnlich dichten Nebel und den sich auftürmenden Gewit-266
terwolken keineswegs um natürliche Phänomene handelte.
Beunruhigt hielt er sich zurück. Die Wettererscheinungen waren perfekt nachgeahmt, und nur wenige seiner Art verfügten über die Macht, ein solches Kunstwerk zu vollbringen. Du hast mich provoziert, und ich nehme die Herausforderung an. Komm zu mir. Gregoris Stimme klang tief und bezwingend.
Wunderschön. Die Stimme war einzigartig, und niemand konnte sich ihrer Wirkung entziehen, wenn Gregori sie bewusst einsetzte.
Der Vampir kämpfte gegen den hypnotischen Befehl an, und doch wurde seine Gestalt plötzlich im Nebel über dem Wasser sichtbar. In seinen Zügen spiegelte sich das Böse, seine Augen glühten rot, und seine Fänge waren lang und spitz. An den Händen wuchsen ihm rasiermesserscharfe Klauen. Er spuckte Gift und Galle ob der Tatsache, dass jemand gewagt hatte, ihn gegen seine Willen herbeizurufen. Doch es gab kein Entrinnen, die Stimme flüsterte ihm zu, und er konnte nicht anders, als sich zu zeigen, ohne seine Trugbilder aufrechtzuerhalten.
Jahrhundertelang hatte er wie eine Spinne in seinem Netz des Bösen gesessen, sich im Hintergrund gehalten, um jederzeit fliehen zu können, wenn ihm Gefahr drohte. »Gregori, kaum zu glauben, dass sich ein Mann deines Standes damit abgibt, einen so unbedeutenden Gegner wie mich zu jagen«, sagte der Vampir schmeichelnd, als begrüßte er einen alten Freund.
»Nennst du dich heutzutage Morrison?« Gregori beobachtete den Ghoul zu seiner Linken, der sich langsam an ihn he-ranschlich. Der Vampir kontrollierte jeden Schritt. »In deiner Jugend war dein Name Rafael. Du bist vor etwa vierhundert Jahren verschwunden.«
Die gezackten Fänge, braun und fleckig von dem vielen, mit Adrenalin angereicherten Blut ängstlicher Menschen, blitzten, als Rafael sein Gesicht zu einem grotesken Grinsen verzog.
»Etwa hundert Jahre habe ich in der Erde geruht. Als ich 267
erwachte, hatte sich die Welt verändert. Du warst der loyale Mörder im Dienst unseres Prinzen, der seine Brüder tötete.
Ich beschloss, unsere Heimat zu verlassen, um dem Pesthauch deiner Blutgier zu entgehen. Hier ist jetzt meine Zuflucht, mein Zuhause. Warum also kommst du ungebeten hierher, nur um mich zu belästigen?«
Gregori konzentrierte sich auf die Atmosphäre, um die elektrische Spannung herzustellen, die er im Schutze der dunklen Wolken zu einer knisternden, feurigen Kugel ballte. »Die Stadt gehört dir nicht, Rafael, und du kannst mir nicht vorschreiben, wo ich mich aufhalten darf. Du hast deine Sklaven absichtlich auf Savannah gehetzt, obwohl du wusstest, dass sie meine Gefährtin ist. Dafür kann es doch keinen anderen Grund geben, als dass du endlich von den
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