Karparthianer 04 Magie des Verlangens
Fluchtmöglichkeit. New Orleans stellte ihn vor Probleme, die er im Augenblick wirklich nicht gebrauchen konnte.
Gregori musterte die Betonwände und den soliden Fußboden des Kellers. Er schritt die gesamte Länge und Breite ab, stellte sich dann in die Mitte und schloss die Augen. Er nahm die Schatten von anderen wahr, die vor ihnen hier gewesen waren.
»Spürst du es?«, fragte Savannah leise und legte ihm die Hand auf den Arm.
Gregori blickte auf ihre schmale Hand hinunter, deren Berührung er im ganzen Körper spürte, obwohl ihre Finger nicht einmal ganz sein Handgelenk umspannen konnten. Ihm fiel plötzlich auf, dass sie oft mit dieser Geste die Verbindung zu ihm suchte.
217
Mit Mühe lenkte Gregori seine Aufmerksamkeit wieder auf die Umgebung. Also spürte auch Savannah die Gegenwart eines anderen, der früher in diesem Raum gewesen war. Julian.
Julian Savage hatte in diesem Haus gelebt. Warum? Welche Sicherangen hatte er vorbereitet. Gregori zweifelte nicht daran, dass Julian Savannah dazu gebracht hatte, dieses Haus zu kaufen, als er von ihrer Reise nach New Orleans erfahren hatte.
Gregori legte ihr den Arm um die Schulter. »Was weißt du über den Vorbesitzer?«
»Nur dass er nie für lange Zeit hier gelebt hat. Der Makler erzählte mir, dass sich das Haus über zweihundert Jahre lang in Familienbesitz befunden hat. Tatsächlich ist es eines der ältesten Wohnhäuser im French Quarter.«
»Aber du bist dem Eigentümer nie begegnet?«
»Nein«, antwortete Savannah.
»Das Haus gehörte einmal Julian Savage, obwohl ich mir nur schwer vorstellen kann, dass er tatsächlich hier gelebt hat. Er ist ein Einzelgänger, frei und ungebändigt wie der Wind.« Gregori ging noch einmal auf und ab. »Wenn Julian dieses Haus aufgegeben hat, das ihm zweihundert Jahre lang gehörte, kann das nur eines bedeuten. Er will den Sonnenaufgang erwarten.«
Gregoris Stimme klang ausdruckslos, doch innerlich spürte er den seltsamen Schmerz, mit dem er inzwischen so vertraut war.
Kummer. Das karpatianische Volk hatte schon so viele gute Männer verloren. Julian war stärker und weiser als die meisten von ihnen. Gregori wollte ihn nicht verlieren.
Tröstend streichelte Savannah seinen Arm. »Das wissen wir doch gar nicht genau, Gregori. Vielleicht wollte er uns nur ein Hochzeitsgeschenk machen. Nimm nicht gleich das Schlimmste an.«
Gregori versuchte, die Melancholie abzuschütteln, die ihn so plötzlich überkommen hatte, doch er wusste, dass er sich in 218
dieser beengten Stadt nicht wohl fühlen würde. »Die anderen Häuser sind nur wenige Schritte entfernt«, brummte er. »Vermutlich werden die Nachbarn sich täglich in unser Wohnzimmer verirren.«
»Du hast ja den Innenhof noch nicht gesehen, Gregori. Er ist groß und in ziemlich gutem Zustand.« Ohne sich um Grego-ris Murren zu kümmern, stieg sie die Treppe hinauf.
»Ich möchte gar nicht wissen, was du als schlechten Zustand bezeichnen würdest«, murmelte er und folgte Savannah ins Erdgeschoss.
»Ich frage mich, warum es hier so staubig ist«, entgegnete Savannah. »Ich hatte den Makler beauftragt, Leute zu schicken, die putzen und das Haus für unsere Ankunft vorbereiten sollten.«
»Fass nichts an«, zischte Gregori plötzlich. Er nahm Savannah bei den Schultern und zog sie hinter sich.
»Was ist denn?« Instinktiv senkte Savannah die Stimme und sah sich nervös um. Sie suchte das Haus nach irgendeiner Bedrohung ab, die sie vielleicht zuerst nicht wahrgenommen hatte.
»Wenn ein Reinigungsservice hier war, um die Betten zu machen und das Haus auf deine Ankunft vorzubereiten, hätten sie doch sicher auch Staub gewischt.«
»Vielleicht waren sie einfach faul«, schlug Savannah hoffnungsvoll vor.
Gregori warf ihr einen Blick zu. Seine Mundwinkel zuckten.
Savannah brachte ihn ständig zum Lächeln, selbst wenn die Situation sehr ernst war. »Ich bin sicher, dass jede Firma Überstunden in Kauf genommen hätte, nur um dich glücklich zu machen, ma petite. Es geht mir ja genauso.«
219
Bei der Erinnerung an Gregoris Überstunden errötete Savannah. »Also, was ist denn nun mit dem Staub?«, hakte sie nach, um ihn abzulenken.
»Ich glaube, Julian hat uns eine Nachricht hinterlassen. Du hast so lange unter Sterblichen gelebt, dass du nur noch mit den Augen siehst.«
Savannah schnitt eine Grimasse. »Und du hast dich so lange in den Bergen versteckt, dass du nicht mehr weißt, wie man Spaß hat.«
Gregori ließ den Blick über ihren Körper gleiten.
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