Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
fühlte sie sich erschöpft. Etwas Ruhe würde ihr jetzt guttun, um Kräfte zu sammeln und über einen weiteren Fluchtversuch nachzudenken. Sie dachte an das Geschehen von vorhin und den Zornesausbruch Valerijs. Er war unberechenbar, grausam und auf der anderen Seite sanft und verführerisch. Wie der Teufel in Person.
Zitternd schlüpfte sie unter die Bettdecke und kniff die Augen zu. Zwischendurch spähte sie im Dunkeln immer wieder zur Verbindungstür. Es machte sie nervös, ihn in der Nähe zu wissen. Jeden Moment konnte sie damit rechnen, dass er zu ihr herüberkäme und sich an ihr verging. Sie hörte ihr Herz laut pochen. Nebenan herrschte absolute Stille. Was er wohl tat? Lag auch er im Bett? Nein, er hatte doch gesagt, er würde keinen Schlaf benötigen. Was zur Hölle trieb er dann? Glotzte er Löcher in die Decke? Verdammt, warum konnte er nicht so wie die anderen Vampire sein! Er war so überlegen und höllisch anziehend.
Deutlich sah sie den Fürsten vor sich, die widerspenstige Strähne seines dunklen Haares, die ihm immer ins Gesicht fiel, wenn er den Kopf zur Seite drehte. Der sinnliche Mund, der sich zu einem spöttischen Lächeln kräuselte und die goldbraunen Augen, die sie mit glühenden Blicken bedachten. Valerij, sein Name klang fremd, doch irgendwie melodisch. Er passte zu ihm.
Was für sündige Gedanken. Herrgott, sie war eine Dcera, deren einzige Aufgabe es war, Vampire zu vernichten. Sie war froh, dass er die Kerzen ausgeblasen hatte.
Die Dunkelheit besaß etwas Tröstliches. Das war nicht immer so gewesen. Früher als Kind hatte sie sich bei Einbruch der Dunkelheit gefürchtet, wenn die Geschöpfe der Finsternis auf Suche nach Beute die Gegend durchstreiften. Dann war auch ihr Vater dem Ruf der Nacht gefolgt. Die Schritte ihrer Mutter hallten durch das Schloss, wenn sie ruhelos auf und ab wanderte. Daniela konnte ihre Furcht fühlen, die auch sie jedes Mal ergriff. Zum Trost kuschelte sie sich an ihre Schwester Katja. Ihre zitternden Hände verschränkten sich ineinander, als wollten sie sich nie mehr loslassen. Keiner redete über die Angst. Aber am nächsten Morgen war das Kissen von ihren Tränen feucht.
Jahre später hatte sie ihre Mutter verstanden, die von der Furcht um ihren Vater getrieben keine Ruhe mehr fand. Drazice wartete auf eine Gelegenheit, ihren Vater zu töten. Und das war ihm auch eines Tages gelungen. Daniela schluckte den harten Kloß hinunter, der in ihrer Kehle saß.
Als es plötzlich knackte, horchte sie auf. Sofort richtete sich ihr Blick auf die Tür, als erwarte sie das Eintreten des Fürsten. Aber es war nur das Holz, das arbeitete. Sie rollte sich zusammen und grübelte weiter. Wie sehr doch ihr Schicksal dem ihrer Mutter ähnelte. Auch die hatte sich zu einem Geschöpf der Nacht hingezogen gefühlt. Ob ihre Mutter damals ebensolchen Abscheu empfunden hatte wie sie? Dennoch hatte sie ihren Vater über alles geliebt und war ihm in den Tod gefolgt. Eine Träne stahl sich aus Danielas Augenwinkel und rollte ihre Wange hinab. Zu viele Fragen, die mit warum begannen, geisterten in ihrem Kopf herum. Warum hatte ihre Mutter sich ausgerechnet in einen Dhampir verlieben müssen? Warum war sie eine Dcera und hatte das Erbe an sie weitergegeben? Warum mussten ihre Eltern sterben? Warum befand sie sich in der Gewalt des Karpatenfürsten?
Die Gedanken quälten Daniela. Lange warf sie sich unruhig im Bett von einer Seite auf die andere. Irgendwann schlief sie darüber ein.
Daniela rannte durch den verschneiten Wald. Im Sonnenlicht glitzerte der weiße Teppich, als bestünde er aus Edelsteinen. Atemlos rannte sie auf das väterliche Schloss zu, dessen hohe Türme wie drohende Finger gen Himmel ragten. Eine dunkle Wolke schob sich vor die Sonne, was ihr wie ein böses Omen vorkam. Von Neugier getrieben, rannte sie auf das Eingangsportal zu.
Als sie in die Halle stürmte, warf sie Handschuhe und Jacke achtlos auf den Boden, bevor sie die marmorne Treppe in den ersten Stock hinauflief.
Die Tür zur Bibliothek war nicht verschlossen. Sie wollte eintreten, als eine fremde Stimme sie zurückhielt. Besuch? Niemand hatte sich angesagt und bald würde es dämmern. Sie spähte durch den Spalt. Ihre Eltern standen vor dem Kamin und verständigten sich mit Blicken. Irgendetwas stimmte nicht.
Daniela sah nur den breiten Rücken des Fremden, der zwischen ihre Eltern trat und das Feuer verdeckte. Die drei redeten in einer Sprache, die sie nie gehört hatte. Ihr Vater ballte die
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