Karpatenfürst - Landers, K: Karpatenfürst
weit, bis sie hinausspähen konnte. Der Korridor war leer. Durch die hohen Rundfenster sah sie die roten Streifen am Himmel der untergehenden Sonne. Sie musste nicht nur eine Nacht, sondern auch noch einen ganzen Tag geschlafen haben. Wieder ein vergeudeter Tag, den sie besser für eine Flucht hätte nutzen können. Das Gekicher und Geflüster kam vom anderen Ende des Flurs. Eine Tür öffnete sich und ein Mädchen in weißer Korsage und Unterhose schlüpfte hinaus, um hinter der gegenüberliegenden Tür wieder zu verschwinden.
Verwundert folgte Daniela diesem seltsamen Schauspiel. Ein anderes Mädchen im Haus? Noch dazu ein Mensch und keine Vampirin? Sie konnte noch nicht lange da sein, sonst hätte sie ihren Geruch längst gewittert. Irgendwie war es ein beruhigendes Gefühl, eine andere Sterbliche hier zu wissen. War sie vielleicht eine Hure? Doch sie roch kein getrocknetes Blut. Sie zuckte zusammen, als feste Tritte auf der Treppe erklangen und über der Brüstung ein dunkler Schopf auftauchte. Es bestand kein Zweifel, wem er gehörte: Valerij cel Bâtrân. Er hatte ihr gerade noch gefehlt. Ihre Hoffnung auf eine Flucht schwand mit seinem Erscheinen. Hastig zog sich Daniela zurück und verharrte mit klopfendem Herzen hinter der Tür. Der Fürst stoppte vor ihrem Zimmer und schien zu lauschen.
Ahnte er etwa, dass sie einen neuen Fluchtversuch plante, oder wollte er sich nur vergewissern, dass sie noch immer schlief? Ihr wurde ganz anders bei dem Gedanken, er könnte gleich ins Zimmer stürmen. Nach einer Weile hörte sie, wie er weiter den Flur entlanglief, und atmete erleichtert auf. Sie lugte wieder zur Tür hinaus und sah, wie er den Raum betrat, in dem kurz zuvor das Mädchen verschwunden war. Seine Stimme klang gedämpft, und sie konnte seine Worte nicht verstehen, aber der samtige Klang verursachte eine Gänsehaut. Das Mädchen kicherte erneut. Fürchtete die sie sich gar nicht in der Nähe dieses gefährlichen Vampirs? Ein Poltern erklang, wieder Kichern, ein lautes Stöhnen, bis es wieder still wurde. Hatte der Fürst das Mädchen etwa umgebracht und saugte ihr gerade das Blut aus? Aber hätte sie dann nicht vorher geschrien? Und das Stöhnen klang nicht schmerzvoll oder angsterfüllt, sondern im Gegenteil erregt. Danielas Neugier war geweckt. Sie schlüpfte in den Korridor und schlich zur Tür, hinter der eben noch die Geräusche erklungen waren. Weil es noch immer totenstill war, presste sie ihr Ohr gegen das Türblatt und lauschte. Nichts. Daniela zuckte mit den Achseln und überlegte, ob sie die Tür öffnen sollte, aber dann verwarf sie den Gedanken und kehrte um, als plötzlich hinter ihr die Tür knarrend aufsprang. Sie zuckte zusammen und befürchtete, dem Fürsten gegenüberzustehen, der sie beim Lauschen ertappte. Eine Bestrafung wäre ihr gewiss, und sie wollte gar nicht über die Art nachdenken. Aber niemand erschien, als hätte ein Geist die Tür geöffnet. Daniela wandte sich wieder um und warf einen Blick in den Raum. Kostbare orientalische Teppiche lagen auf dem steinernen Boden, Tierfelle zierten die Wände. Marmorne Skulpturen, nackt und in anzüglichen Posen bildeten eine Art Gang, der zu einer spanischen Wand führte. Lederbezogene Stühle mit hohen Lehnen standen aufgereiht davor und gewährten Voyeuren einen Blick durch die ausgeschnittenen Ornamente des Paravents auf das dahinterliegende Geschehen. Stoff raschelte und blondes Haar schimmerte durch die Löcher im Paravent.
„Wie möchtest du mich gerne haben?“, fragte eine Mädchenstimme. Daniela war sicher, dass es das Mädchen war, das sie vorhin auf dem Korridor gesehen hatte. Sie verbarg sich hinter der Skulptur eines nackten Mannes und betrachtete den Sockel, auf dem ein Name eingemeißelt worden war. Daniela verdrehte sie Augen, denn ausgerechnet Eros, der Liebesgott, bot ihr Schutz. Als ihr Blick auf den erigierten Phallus der Statue fiel, musste sie schlucken. War das das Liebesnest Valerij cel Bâtrâns? Sie wagte kaum, zu atmen, um sich nicht zu verraten. Hatte der Vampir sie bereits gewittert oder war er so trunken vor Lust, dass er sie nicht wahrnahm? Jedenfalls ließ er sich nicht anmerken, dass er von ihrer Gegenwart wusste. Am liebsten wäre Daniela umgedreht, aber ihre unbändige Neugier ließ sie bleiben und verlangte, zuzusehen. Bei der Vorstellung, heimlich seine Liebesspiele anzuschauen, kitzelte es auf ihrer Haut, als liefe eine Armee Käfer darüber. Was würde der Fürst von der Blonden fordern? Daniela
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