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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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wie sie hierzulande genannt werden, haben eine lange Tradition. Schon zu Frühzeiten versammelten sich die Bürger um die meist zentral gelegene Dorflinde, um dem äußeren Zeichen des Festes, dem Tanz zu frönen.
    Anlässlich des Patronatstages des Heiligen Mauritius stand das dörfliche Fest auch in Röttenbach kurz bevor. Vom 23. September bis zum darauffolgenden Montag würde es im Bierzelt der Brauerei Sauer und in den einheimischen Gaststätten hoch hergehen. Das Festprogramm war im örtlichen Gemeindeblatt groß angekündigt worden.
    Pünktlich um halb acht erfolgte im Festzelt der Bieranstich durch Bürgermeister Ludwig Gast.
    Der Abend gehörte der Jugend, welche sich auf das anstehende Rockkonzert freute.
    Tags darauf, am Samstag, stellten die Kirchweihburschen den mächtigen Festbaum auf.
    Haupttag war der Sonntag. Da wurde den alten Kirchweihbräuchen gehuldigt: »Kiechli rausspielen«, »Geger rausschlogn« und »Bedzn raustanzen« gehörten zum Standardprogramm der Röttenbacher Kerwa. Am Montag, dem Kehraustag, war das Festzelt gewöhnlich brechend voll und die Röttenbacher nahmen feuchtfröhlich Abschied von ihrer Kerwa. Erstmalig in diesem Jahr, planten die Kirchweihburschen am Dienstag noch einen »Krumma« aufzustellen, um die Kirchweih endgültig zu »beerdigen«. Doch eins nach dem anderen:
    Der Freitagabend gehörte, wie gesagt, der Dorfjugend. Um acht Uhr war das Festzelt bereits ordentlich gefüllt. Auch Herr Loosbüttel, Elternbeiratsvorsitzender des Montessori-Kindergartens, war unter den Gästen. Standesgemäß, wie er glaubte, hatte er sich in seinen neuen bayerischen Trachtenanzug geschmissen. Die »Hirschlederne« war noch etwas steif und kniff im Schritt. Auf seinem Kopf thronte ein graufilziger Gamsbarthut. Um seinen Hals hatte er ein mit weiß-blauen Rauten bedrucktes Halstuch geschlungen. Bayerische Farben! Seine Füße steckten in Wildleder-Haferlschuhen und seine jägergrüne Strickjacke, welche er über seinem braunen Trachtenhemd trug, war mit Hirschhornknöpfen besetzt. Überall im Festzelt hingen rot-weiße Fahnen, welche das fränkische Wappen mit dem sogenannten Frankenrechen zeigten. Ein paar »Glubberer« – Fans des 1.FC Nürnberg – in schwarz-roten Jacken, 1.FCN-Schals und passenden Schirmmützen grölten aus einer Ecke des Zeltes: »Ziehchd den Bayern die Lederhusn aus, Lederhusn aus, Lederhusn aus!«
    Es wäre falsch zu behaupten, dass Herr Loosbüttel als ein Anhänger der Rockmusik bezeichnet werden konnte, aber seine sechzehnjährige Tochter Wilhelmine war mit einigen Klassenkameradinnen ebenfalls unter den jugendlichen Gästen. Vater Loosbüttel traute den einheimischen Burschen nicht über den Weg. Misstrauisch hatte er sich dazu entschlossen, natürlich standesgemäß gekleidet, ebenfalls dem Rockkonzert beizuwohnen, um so ein Auge auf sein Töchterchen werfen zu können.
    Wilhelmine entdeckte ihren Vater, als er, Blicke hinter sich herziehend, als bayerischer Wolpertinger verkleidet das Festzelt betrat und etwas abseits vom Hauptgeschehen Platz nahm. Sie schämte sich so.
    Jupp Hochleitner, der Urfranke, sah dem Möchtegern-Bayern nach, als dieser Platz nahm und sich eine Maß Bier bestellte.
    »Is heid Breißn-Fasching?«, fragte er den Ober, der ihm seine zweite Maß auf den Tisch stellte. »Scheinds su!«, antwortete dieser. »Der had si ja zammgschdelld wie aa beeser Finger!«
    Die Musiker griffen in die Saiten ihrer E- und Bassgitarren. Der Schlagzeuger wirbelte ein Eingangssolo. Die Sängerin hauchte ihre rauchige Stimme in das Mikrophon, und die riesigen Lautersprecherboxen warfen ein gewaltiges Getöse aus Gesang und Musik an die Zeltwände. k We will, we will rock you … Die jungen Leute erklommen die Bierbänke. Sie klatschten in die Hände, und ihre Leiber zuckten nach den Rhythmen der Musik.
    Nach zwei Stunden erreichte die Stimmung ihren siedenden Höhepunkt. Die einheimischen Burschen grölten mit der Musik. Manche hatten bereits ihre vierte Maß intus und verloren allmählich ihre Selbstkontrolle.
    »Stimmungsrunde!« k Ein Prosit, ein Prosit, der Gemütlichkeit, 98, 99, Gsuffa! Auf und nieder, immer wieder, hammers erschd gesdern gmachd, machmers heida a … Herr Loosbüttel wurde von seinen Tischnachbarinnen in die Höhe gezogen, ob er wollte, oder nicht. k Links, rechts, vor, zurück, das macht Spaß, das bringt Glück .. . Der Gamsbart auf seinem Tirolerhut wackelte hin und her. Die zwei Maß Bier schwappten gegen seine Magenwände. k

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