Karpfen, Glees und Gift im Bauch
ein paar äußerst interessante Bemerkungen, wenn er diese richtig verstanden hatte.
Fluorierender Handel
Toni Wellein war richtig im Stress. Das Geschäft mit dem FCKW lief mittlerweile auf Hochtouren. Zehn- oder Zwölf-Stunden-Arbeitstage waren keine Seltenheit. Oft arbeitete er bis in die Abendstunden hinein, wenn die Klein- und Großtransporter der Selbstabholer und Speditionen vor der Lagerhalle Schlange standen, um ihre Fahrzeuge mit türkischem Olivenöl zu beladen. Gott sei Dank, dass der Supermarkt weit abseits von Wohngebieten lag, und die Fahrzeugschlangen, zu nächtlicher Stunde, nicht weiter auffielen. Der Emdener Lkw kam zwischenzeitlich bereits dreimal die Woche, und brachte den begehrten Nachschub. Toni Wellein war beeindruckt. Tang Kelin hatte eine hervorragende Vertriebsorganisation aufgebaut. Wie machte er das bloß? Und vor allem, wer hatte den Vertrieb übernommen? Er, Toni Wellein, war ja nur Zwischenlager, und so kam er sich allmählich auch vor. Wie ein Lagerist! Wie früher! Nur das Geld stimmte dieses Mal. Der Schwarzmarkt für das FCKW musste riesig sein. Auf den vorbereiteten Speditionspapieren der Abholer las er Lieferadressen in ganz Europa. Großküchen, Fleischereien, Supermärkte, Großbäckereien, Sport- und Freizeitanlagen, Krankenhäuser, Gaststätten, Gärtnereien, Kfz-Reparaturwerkstätten waren genauso unter den Kunden, wie international bekannte Unternehmen der chemischen Industrie, der Nahrungs- und Genussmittelindustrie und der Getränkeindustrie. Papierherstellungsanlagen, Zementwerke und Kraftwerke waren die größten Abnehmer. Sein Olivenöl fand Abnehmer in Dänemark, Finnland, Italien, Portugal, Polen, Rumänien, Frankreich und Tschechien. Ein Abholer erzählte ihm, er werde das Olivenöl auf eigene Rechnung in die USA weiterverkaufen. »Dort warten Millionen von Autofahreren auf das ›richtige‹ Kühlmittel, für ihre benzinverschlingenden Nobelkarossen«, erzählte er ihm. Ein Hersteller von Dämmschäumen, der mit seinem Kleinlaster persönlich erschienen war, nahm ihn auf die Seite und meinte: »Do goit dr Profit widdr ind Höh.«
Toni konnte nicht klagen. Das Geschäft brummte. Für den Immer Frisch-Supermarkt hatte er zwar immer weniger Zeit, dafür wuchs der Guthabensaldo auf seinem Bankkonto umso schneller. Alles war in bester Ordnung. Nur Hubertus Sapper, dieser Idiot, war nahe daran gewesen, sich zu verplappern. Toni Wellein hätte sich noch immer in den eigenen Arsch beißen können. Da hatte er in seiner guten Laune und Großherzigkeit einem alten Schulkameraden einen kleinen Gefallen erwiesen, und was macht dieser Hornochse? Erzählt am Schafkopftisch, er, Toni Wellein, verkaufe »Gifdbrieh«. Er wäre ihm am liebsten an die Gurgel gegangen. Gott sei Dank waren die anderen viel zu einfältig und schon so besoffen, dass sie gar nicht auf die Idee kamen, nachzufragen. Nur dieser komische Mensch aus Waiblingen, der aussah wie ein Chamäleon, hatte mit den Augen gerollt und sich zwei Tic Tac eingeschmissen. Aber das machte der ja immer. Der verstand ja nicht einmal die gepflegte, fränkische Aussprache! Welcher normale Mensch, außer den einheimischen Deppen konnte sich unter ›Gifdbrieh‹ etwas vorstellen? Den Hubsi allerdings würde er sich nochmals vornehmen. Der redete zu viel, wenn er gesoffen hatte. Und wer zu viel redet, kriegt eine aufs Maul. Er, Toni Wellein, würde sich jedenfalls sein eben angelaufenes, lukratives Geschäft nicht kaputt machen lassen. Nicht von so einem alten Trampel! Nicht von Hubertus Sapper! Nötigenfalls musste er zu härteren Mitteln greifen. Da hatte er keine Skrupel. Wer sich ihm in den Weg stellt, sollte ihn kennenlernen. Johann Geldmacher, der arme Teufel, musste auch lernen, dass mit ihm nicht zu spaßen sei.
Noch ahnte der Geschäftsführer von »Immer Frisch« nicht, dass sein Problem mit Hubertus Sapper bei Weitem noch nicht ausgestanden war. Der hatte den Vorfall am Schafkopftisch keineswegs vergessen. Ganz im Gegenteil, er hatte nur eine Gelegenhei gesucht, Toni Wellein coram publico quasi zu provozieren. Die heftige Reaktion seines ehemaligen Schulkameraden gab ihm nun Gewissheit, dass hinter der Angelegenheit mit dem türkischen Olivenöl eine ganz große Sache stecken musste. Ein ganz großes Geschäft! So dumm war der Hubsi auch wieder nicht, dass er nicht sofort kapiert hatte, womit Toni Wellein höchstwahrscheinlich äußerst lukrative Geschäfte betrieb. Da hatte er noch ganz klar die Worte des
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