Karpfen, Glees und Gift im Bauch
den Mitwettbewerber, diesen FORMA-Supermarkt, wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Die Verkaufspreise von »Immer Frisch«waren auffällig niedrig. Das ging ja schon nahe an Preisdumping heran.Dadurch kam ja dieser deutsche Filialleiter erst auf den Verdacht, dass mit der Preispolitik von »Immer Frisch« irgendetwas nicht stimmen konnte, und begann daraufhin mit seinen Schnüffeleien. Er würde mit Toni Wellein reden müssen. Gott sei Dank war dieser hässliche Haeberle zum richtigen Zeitpunkt vor Ort und konnte das Schlimmste gerade noch verhindern. Obwohl die Leiche des Ermordeten ziemlich rasch entdeckt wurde, war die dämliche deutsche Polizei offensichtlich auf ein falsches Pferd gesprungen, berichteten ihm Gustav Haeberle und Toni Wellein, unisono. Glück gehabt! Tang Kelin brauchte Ruhe an der Front, wenn er denn das Geschäftsvolumen deutlich steigern wollte. Und es lohnte sich außerordentlich zu expandieren. Er lächelte, als er an seine Geschäftsmodell dachte: Er verkaufte das in Jilin hergestellte FCKW an seine Firma Turkoil Ltd . in Istanbul. Turkoil lieferte das kaltgepresste Olivenöl mit Gewinn an seinen deutschen Supermarkt »Immer Frisch« . Dort gingen die Rechnungen in den Bestandskosten unter und schmälerten den Gewinn und somit die Steuerbelastung. Das bereits zwei Mal bezahlte FCKW wurde dann mit hohen Gewinnen nochmals europaweit verkauft. Ohne Rechnung und gegen Vorauskasse. Der Supermarkt ging leer aus. Die Verkaufserlöse landeten in der eigenen Tasche. Genial! Selbst wenn der deutsche Fiskus in zwei, drei Jahren mitbekommen sollte, was da ablief, lohnte sich die Sache. So ein Supermarkt war schnell geschlossen und an anderer Stelle wieder schnell aufgebaut. Kommt Zeit, kommt Rat. In der Ruhe liegt die Kraft!
Tang Kelin dachte schon weiter. Er plante noch viel Größeres. Er hatte sich sehr genau mit dem 12. Fünfjahresplan der chinesischen Regierung befasst, der im März 2011 in der Großen Halle des Volkes offiziell vom Nationalen Volkskongress genehmigt wurde. China hatte sich vorgenommen, in den nächsten Jahren viel Geld in erneuerbare Energien zu investieren. Nahe der Millionenstadt Changchun, in der Provinz Heiliongjiang, sollte das erste, moderne Biogaskraftwerk, mit einer Leistung von 20 Megawatt entstehen. Neben staatlichen Finanzierungsinstituten waren auch Privatinvestoren willkommen. Er hatte sich die Pläne ganz genau angesehen und mit seinem Freund, dem Oberbürgermeister von Changchun, bereits Absprachen getroffen. Das Biogaskraftwerk würde hauptsächlich mit Essensresten aus den Restaurants der Stadt betrieben werden. Eine ideale und nahezu kostenlose Biomasse mit hohen Brennwerten. Die Restaurants der Stadt produzierten tagtäglich viele Tonnen an Essensabfällen. Sein Freund, der Bürgermeister, hatte bereits eingewilligt, dass diese Essensreste nicht mehr an die Bauern zur Schweinemästung abgegeben, sondern an das Kraftwerk angeliefert werden. Tang Kelin hatte sich die Kalkulation der Investmentkosten, einschließlich Betriebskosten und die Erlöse aus der Energiegewinnung auf der Zunge zergehen lassen. Konservativ gerechnet würde das Kraftwerk ein jährliches Nettoergebnis von 30 Prozent einfahren. Doch das reichte Tang Kelin noch nicht. Er hatte sich zudem intensiv mit den Vereinbarungen des Kyoto-Protokolls auseinandergesetzt, insbesondere was die westlichen Industriestaaten unter »Clean Development Mechanism« oder »Mechanismus für umweltverträgliche Entwicklung« vereinbart hatten: Wer sich an Energie- und Treibhausgasen sparenden Investitionen in Entwicklungsländern beteiligt, konnte mit dem kostenlosen Erhalt von CER-Zertifikaten, den Certified Emission Reduction Certificates rechnen und diese weltweit für gutes Geld verkaufen. Mit den Vereinbarungen aus dem Kyoto-Protokoll waren – und das hatte Tang Kelin schnell entdeckt – geschickt gesteuerten Manipulationen Tür und Tor geöffnet. Er musste lediglich eine Firma in einem westlichen Industrieland gründen, die dann wiederum in das Biogaskraftwerk in Changchun investierte. Das hatte er längst mit dem blassen Haeberle abgesprochen und geklärt. Dann mussten sie nur noch nachweisen, dass das Biogaskraftwerk, welches seine Energie zu einem sehr niedrigen Tarif in das öffentliche Versorgungsnetz einspeisen musste, ohne die Vergünstigungen aus demClean Development Mechanism nicht gebaut werden würde. Ersatzweise würde ein Kohlekraftwerk mit einer Leistung von 100 Megawatt errichtet werden, mit
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