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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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kurze, rasche Bewegung zwischen den Stämmen zweier mächtiger Bäume? Gustav Haeberle zweifelte allmählich an seinem Verstand. Bei Gelegenheit musste er doch mal wieder bei seinem Optiker vorbei schauen. Vielleicht brauchte er eine neue Brille? Ein kräftiger Windstoß fuhr in den Haufen nass glänzender Blätter, wirbelte sie auf und trug sie davon. Konnte es sein, dass da draußen Damwild frei herumlief? Er starrte erneut angestrengt in die regenschwere Nacht. Ein hohes Sirren drang durch das Plätschern des Regens an sein Ohr. Sein Wahrnehmungsvermögen registrierte, dass es mit extrem hoher Geschwindigkeit näher kam. Plötzlich ein mächtiger Schlag gegen seine Brust. Ein tiefer, heißer Schmerz, wie von einem glühenden Draht ausgelöst, fuhr ihm ins Herz. Gustav Haeberle taumelte einen halben Schritt zurück. Er sah an sich hinab. Er verstand nichts mehr. Ein langer, dünner Pfeil steckte in seinem Brustkorb, auf Höhe seines Herzens. Erstaunt registrierte er den zugeschnittenen, roten Federbusch, am Ende des Pfeils, welcher dem Geschoss seine Flugstabilität verlieh. Ein kreisrunder Blutfleck breitete sich auf seinem weißen Hemd aus, dort, wo der Schaft des Pfeils aus seinem Körper ragte. Unheimliche Schmerzen pulsierten in seinem Körper. Im Unterbewusstsein vernahm er ein zweites, hohes Sirren. Sein linkes Brillenglas zersprang in tausend winzig kleine Glassplitter. Der scharfe Widerhaken der Pfeilspitze drang butterweich in seine Pupille ein, durchdrang ebenso mühelos sein Auge und schlug mit monströser Gewalt gegen den inneren Schädelknochen seines Hinterkopfes. Blutige Augenflüssigkeit trat aus seiner Augenhöhle und lief über die linke Gesichtshälfte an Gustav Haeberles Hals herunter. Ihm wurde schlecht. Er spürte die Schmerzen, die ihn innerlich zu zerreißen schienen. Dann senkte sich plötzliche Dunkelheit über sein Bewusstsein. Verzweifelt versuchte er am Vorhang Halt zu finden und klammerte sich fest. Seine Füße trugen ihn nicht mehr, seine Knie knickten ein. Im Fallen riss Gustav Haeberle den Vorhang einschließlich der Vorhangstange aus der Wandverankerung. Der drei Meter lange, goldene Brokatstoff legte sich über ihn und deckte seinen toten Körper zu, als wollte er ihn vor neugierigen Blicken schützen.
    Drei Minuten vergingen. Nur das Tosen des Windes und das Brausen des hernieder prasselnden Regens waren zu vernehmen. Draußen, im Regen, nahm eine dunkel gekleidete Gestalt Anlauf, ergriff das Sims des offen stehenden Fensters und schwang sich elegant und spielerisch in das Innere des Hotelzimmers. Mitleidlose Augen betrachteten den Stoffhaufen, unter dem das Opfer verborgen lag. Dann huschten die Blicke der Person rasch durch das Zimmer. Das, wonach sie Ausschau hielt, stand auf dem Schreibtisch. Sie griff sich den Laptop und steckte ihn in einen wasserdichten Umhängebeutel. Die weitere Suche nach mitgeführten Memory Sticks blieb ergebnislos. Mit einem eleganten Sprung aus dem Fenster verschwand die dunkle Gestalt ebenso rasch, wie sie gekommen war, aus dem Hotelzimmer. Ihr Mordwerkzeug, den englischen Langbogen, sowie die beiden unbenützten Pfeile ließ sie achtlos vor dem Fenster liegen. Dann rannte sie federnden Schrittes zwischen die Stämme der hohen Buchen in die Finsternis des Schlossparks und war nicht mehr zu sehen. Die wenigen Spuren, welche möglicherweise auf ihren Besuch hingewiesen hätten, vernichtete der niederprasselnde Starkregen im Laufe der nächsten Stunden.
    Die Uhr am Hotelempfang zeigte 20 Uhr an. Gustav Haeberle lag, noch immer unentdeckt, ermordet in seinem Hotelzimmer. Der Kurier Tang Kelins ließ auf sich warten. Auch um 22 Uhr war er noch immer nicht angekommen. Irgendetwas musste dazwischen gekommen sein!

Tatort

    Gerald Fuchs und Sandra Millberger befanden sich im Jagdfieber. Sie warteten auf den des Mordes verdächtigen Gustav Haeberle. Schon sehr frühzeitig waren sie erschienen und hatten ihr Zivilfahrzeug am Ende des Gewerbering geparkt, dort, wo die Straße einen Neunzig-Grad-Knick machte und sich im eigentlichen Industriegebiet verlor. Von hier aus hatten sie einen hervorragenden Überblick über das gesamte Areal von »Immer Frisch«. Kein Ankommender konnte ihnen von hier aus entgehen. Sie unterhielten sich nun schon länger als eine Stunde und stellten Mutmaßungen über das geheimnisvolle Tatmotiv an. Als kurz vor neun Uhr der Bauarbeitertrupp erschien, um die letzten L-Steine zu setzen, war Gustav Haeberle immer noch nicht da. Die

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