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Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Karpfen, Glees und Gift im Bauch

Titel: Karpfen, Glees und Gift im Bauch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Rosenzweig
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aus. Rechterhand, an der Grenze des Schlossparks, erstreckten sich großflächige Wiesen, auf denen gemütlich weiß-braune Kühe weideten oder sich zum Widerkäuen niedergelassen hatten. Ab und an rafften sich einige der Tiere zu einem tiefen, lang gezogenen ›Muuuuhh‹ auf, bevor sie zufrieden weiter kauten. Die Wiesen zogen sich bis zur nahe liegenden Ortschaft Limbach hin. Zwei Fischreiher stolzierten in Dorfnähe im saftigen Gras herum und suchten nach Fressbarem. Die Kühe störten sie in keinster Weise.
    Gustav Haeberle meinte, einen jungen Mann zwischen den Stämmen der alten Buchen bemerkt zu haben, der etwas ungeschickt einen Jagdbogen in der Hand hielt und sich bäuchlings in einen großen Haufen von Herbstlauf warf. Als er seine Brille aufsetzte, welche er vorher auf dem Schreibtisch abgelegt hatte, war von dem Bogenschützen nichts mehr zu sehen. »Outdoor Event«, hatten ihm die Hotelpächter beim Einchecken erklärt. Was es heute alles gibt! Bogenschießen als Outdoor Event! Wozu sollte denn das gut sein? Verrückt!
    Die Fahrt von Waiblingen hierher hatte ihn etwas ermüdet, und er beschloss rechtzeitig zum Abendessen zu gehen, um Tang Kelins Kurier nicht warten zu lassen. »Graudwiggerli mit Salzkartoffeln und Gurkensalat« sagte ihm zunächst gar nichts, aber er fand den Namen recht lustig. Graudwiggerli! Diese Franken!
    Als er sein schmackhaftes Abendessen, in einer deftigen Rahmsoße zubereitet, fast verzehrt hatte, stürmte eine Horde junger Leute das Restaurant und nahm an den für sie reservierten Tischen Platz. »We Think Green«stand auf den Tischkärtchen, welche zusätzlich den in grün gehaltenen Firmennamen zeigten. Die Bogenschützen hatten Hunger. Gustav Haeberle ließ die Rechnung auf sein Zimmer schreiben. Draußen war zwischenzeitlich die Dunkelheit hereingebrochen. Halb sieben. Ein feiner Nieselregen hatte sich über die Landschaft gelegt und die dicken Regenwolken versprachen noch mehr Niederschlag. Er machte sich auf den Weg zu seinem Zimmer. Das abgefallene Laub glitzerte feucht im fahlen Licht der Beleuchtung. Schon klatschten die ersten dicken Regentropfen hernieder und Gustav Haeberle stellte den Kragen seines Jacketts auf. Er beschleunigte seine Schritte. Nass wollte er nicht unbedingt werden. Der Wind heulte auf und nahm an Stärke zu. Ihm fiel ein, dass er vergessen hatte, das Fenster zu schließen, aber er war sowieso gleich da. Der Wind wehte von Westen. Sein Zimmer lag in Richtung Osten. Als er in seine Unterkunft eintrat und die Zimmerbeleuchtung eingeschaltet hatte, sah er, dass der aufkommende Wind die Fensterflügel weit nach innen aufgestoßen hatte. Er trat an das offene Fenster und atmete tief die würzige, frische Landluft ein, welche nach Wald, frischer Erde und Landwirtschaft roch. Wieder hörte er das Muhen einzelner Kühe, welche die Dunkelheit inzwischen verschluckt hatte. Täuschte er sich, oder war da nicht eben ein Knacken und Rascheln draußen im Park? Gar nicht weit von seinem Fenster entfernt? Oder war es nur der Wind, der heulend in die Baumkronen der blattlosen Buchen fuhr? Die Jungmanager konnten es nicht sein. Die saßen bestimmt noch beim Abendessen. Mit zusammengekniffenen Augen und höchster Konzentration starrte er in die Dunkelheit. Der Nieselregen war mittlerweile in einen Starkregen übergegangen, und die dicken Tropfen prasselten hämmernd auf das am Boden liegende Laub.
    Keine fünfzehn Meter von Gustav Haeberles Fenster entfernt kauerte eine schwarz gekleidete Gestalt hinter dem mächtigen Stamm einer Buche. Ihr ganzer Körper steckte in einem schwarzen, wasserresistenten Ganzkörperanzug. Nur das Gesicht, das mit dunkelgrüner und schwarzer Tarnfarbe eingeschmiert war, trotzte dem Regen. Die Person sah aus wie ein Taucher in seinem schwarzen Neoprenanzug, nur eben ohne Maske, Flossen und Sauerstoffgerät. Welcher Taucher benutzte unter Wasser auch schon einen englischen Langbogen, wie die dunkle Gestalt einen in ihrer rechten Hand hielt? An den Stamm der Buche hatte sie vier Jagdpfeile angelehnt, deren widerhakenbesetze Pfeilspitzen matt, gefährlich und feucht in der Dunkelheit schimmerten. Die Augen des Bogenschützen beobachteten aufmerksam jede kleinste Bewegung von Gustav Haeberle, der sich klar und deutlich vor dem beleuchteten Hintergrund seines Hotelzimmers abzeichnete.
    Ein greller Blitz fuhr hernieder, gefolgt von einem gewaltigen Donner, und erleuchtete für Sekundenbruchteile den dunklen Schlosspark. War da eben nicht eine

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