Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
ein Text, der die Lebensfreude, die ich jedes Mal empfinde, wenn ich dort getanzt habe, treffend zum Ausdruck bringt. Er ist von Augustinus, wieder einmal berührte mich die Weisheit des frommen Philosophen:
»Ich lobe den Tanz,
denn er befreit den Menschen
von der Schwere der Dinge,
bindet den Vereinzelten zu Gemeinschaft.
Ich lobe den Tanz,
der alles fordert und fördert,
Gesundheit und klaren Geist und eine beschwingte Seele.
Tanz ist Verwandlung des Raumes, der Zeit, des Menschen,
der dauernd in Gefahr ist zu zerfallen,
ganz Hirn, Wille oder Gefühl zu werden.
Der Tanz dagegen fordert den ganzen Menschen,
der in seiner Mitte verankert ist,
der nicht besessen ist von den Begehrlichkeiten nach
Menschen und Dingen
und von der Dämonie der Verlassenheit im eigenen Ich.
Der Tanz fördert den befreiten,
den beschwingten Menschen
im Gleichgewicht aller Kräfle.
Ich lobe den Tanz.
Oh Mensch, lerne tanzen,
sonst wissen die Engel im Himmel
mit dir nichts anzufangen!«
In diesen späten Sommer- und Herbsttagen spürte ich immer wieder diese Kraft, die in meiner Mitte verankert war. Ein Durchhänger wie der Ende September warf mich nicht mehr so schnell aus der Bahn. Zudem hatte ich mich wieder in Exerzitien begeben. Ich verbrachte nach fast genau einem Jahr erneut einige Tage des Schweigens und der inneren Einkehr im Haus Konrad. Schwester Magdalena und Pater Erich gaben den anderen Teilnehmerinnen und mir ein Gebet von Romano Guardini als Wochenimpuls: »Immerfort empfange ich mich aus Deiner Hand. Das ist meine Wahrheit und meine Freude. Immerfort blickt Dein Auge mich an, und ich lebe aus Deinem Blick, Du mein Schöpfer und mein Heil. Lehre mich, in der Stille Deiner Gegenwart das Geheimnis zu verstehen, dass ich bin. Und dass ich bin durch Dich und vor Dir und für Dich.« Im Haus Konrad empfand ich dieses Empfangen aus der Hand Gottes ganz deutlich. Die Zuversicht und die Kraft, die ich hatte, hatten ihren Ursprung in meinem Glauben, dass ich nicht allein war. In der Stille dieser Woche konnte ich das wunderbar spüren.
Beruflich tat sich langsam etwas. Ende Oktober hatte ich meinen ersten Kunden. Ein Ingenieurbüro beauftragte mich mit einem Personalentwicklungsprojekt. Außerdem interessierten sich zwei Privatpersonen für ein Einzelcoaching. Eine große Organisation trat aufgrund meiner Akquise an mich heran und gab mir die Gelegenheit, mich im Dezember persönlich vorzustellen. Zudem hatte mich eine Unternehmensberatung für Ende November zu einem Kennenlernen eingeladen, um zu entscheiden, ob ich als freie Beraterin ihr Team ergänzen könnte. Von all dem konnte ich natürlich noch nicht meinen Lebensunterhalt bestreiten, doch ein hoffnungsvoller Anfang war gemacht.
Gu und ich hatten endlich einen Ort gefunden, wo wir unsere Hochzeit feiern wollten. Mitten in Münster gibt es einen privaten Gesellschaftsklub, der seine wunderschönen Räume und den dazugehörigen Garten auch an Nichtmitglieder vermietet. Es ist ein stilvolles und persönlich anmutendes Ambiente, genauso hatten wir es uns vorgestellt. Es gab nur ein kleines Problem. Die Lokalität war bei Paaren heiß begehrt und weil wir nur eine kleinere Hochzeitsgesellschaft sein würden, wollte der Geschäftsführer für uns keinen verbindlichen Termin blocken. Wir konnten es gut verstehen. Warum den kleineren Saal vermieten, wenn im größeren Saal eine entsprechende Gesellschaft feiern könnte? Doch er bot uns Alternativen an. Zwei Samstage in den Herbstferien, nannte er »unsere Saure Gurken-Zeit«. Gu und ich schauten uns an. Uns beiden war schlagartig klar geworden, der eine der Samstage würde unser Termin sein: Der 11. Oktober 2008. Am 11. Oktober 2005 hatten wir uns kennengelernt, es war der Abend gewesen, an dem Gu mir die Kette mit den blauen Steinen geschenkt hatte. Und tatsächlich: Heute sind wir verheiratet. Es war ein schönes und emotionales Fest, bis tief in die Nacht haben wir mit unseren Familien und engsten Freunden getanzt, getrunken und gelacht. Der Tag war einfach herrlich: Die Sonne lachte von einem strahlend blauen Himmel herunter - wir hatten den wärmsten und sonnigsten Tag des gesamten Herbstes geschenkt bekommen. Den ganzen Nachmittag konnten wir mit unserer Gästeschar im Freien verbringend. Der Kaffee wurde auf der Ter-rasse serviert und unsere ganz persönliche Segnungszeremonie fand ebenfalls noch draußen statt. Im Garten des Klubs war ein Pavillon unter freiem Himmel aufgebaut
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