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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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sie auch das Stadtbild. Es war ein einziges Hallo. Ich traf alle wieder, na ja, fast alle. Doch das interessierte mich zunächst nur am Rande. Ich war froh, endlich den Rucksack loszuwerden und meine Beine hochlegen zu können. Der letzte Abschnitt von O Biduedo nach Triacastela war ein Abstieg über mehr als 500 Meter. Es ging kontinuierlich abwärts, das bekam meinem Bein gar nicht. Es fing wieder an zu schmerzen und war auch mehr als üblich angeschwollen. Den Rest des Tages hieß es deshalb ausruhen in geselliger Runde. Mit Hans-Jakob und Dagmar saß ich zunächst entspannt bei einem nachmittäglichen Cerveza und wir philosophierten über alles Mögliche. Später lud mich Katrin ein, gemeinsam mit ihr, Maciej, Graham, Peter und Marcello, dem Zweimetermann aus Brasilien, das Länderspiel Brasilien gegen Australien anzuschauen. Zwei Irinnen und Hans-Jakob gesellten sich ebenfalls dazu. Vom Spiel habe ich nicht viel gesehen, denn es war wesentlich interessanter, mit Katrin die neuesten Informationen auszutauschen. Zwischen ihr und Marcello schien sich eine Romanze anzubahnen. Sie erzählte mir, wie sich die beiden in den letzten Tagen immer nähergekommen waren. Es war offensichtlich, sie waren schwer ineinander verliebt. Ich war gespannt, wie es weitergehen würde. Den Tag beschlossen Hans-Jakob und ich wieder mit einem gemeinsamen Abendessen, das ausgesprochen schmackhaft war. Es gab eine typisch galicische Gemüsesuppe, danach leckere Lammkoteletts. Wir versprachen uns, uns auf jeden Fall in Santiago zu treffen, egal ob wir uns zwischendurch aus den Augen verlieren sollten. Wir tauschten deshalb unsere Handynummern aus. Das Gefühl in Santiago, nicht allein sein zu müssen, sogar erwartet zu werden, war schön.

    Von Triacastela aus führen zwei Routen nach Sarria. Die erste, etwas längere führt über Samos, dessen Kloster zu einem der schönsten und ältesten Klöster Europas zählt, die andere, kürzere Variante über San Xil ist weniger frequentiert und naturbetonter. Ich hatte mich für die zweite Route entschieden, mir war nach weniger Trubel zumute und meinem Bein würden die drei Kilometer weniger auch guttun. Der Morgen wirkte sehr mystisch. Dichter Nebel hing über den Wiesen und zwischen den Bäumen. Es knisterte und raschelte wie in der Nacht, obwohl es schon hell war. Die Laubwälder rechts und links waren immer wieder mit kleinen Pfaden durchzogen. Wenn ich ein Haus passierte, war niemand zu sehen, ab und zu bellte ein Hund. Die Sonne versuchte immer wieder den Nebel zu durchbrechen, sodass man in der Ferne Schemen wahrnehmen konnte. Von Zeit zu Zeit hörte I man das Geläut von Kuh- oder Ziegenglocken aus der Ferne herüberwehen. Irgendwie hätte es dazu gepasst, wenn Elfen, kleine Kobolde oder Wichte erschienen wären. Doch den Einzigen, den ich zu Gesicht bekam, war Maciej, der von hinten auf mich zugewandert kam. Bis Sarria blieben wir zusammen, entgegen meiner sonstigen Gewohnheit. Vielleicht, weil Maciej mich an meinen Bruder Thomas erinnerte. Seine Augen waren ebenfalls sehr groß und von einem dichten Wimpernkranz umgeben, auch sprach er nur ab und zu und redete nicht unablässig auf mich ein. Er wirkte dadurch irgendwie vertraut. Unser gemeinsames Frühstückspicknick auf einer alten Mauer war trotz des Nebels eine angenehme Rast. Wir teilten unseren Proviant geschwisterlich. Unser Picknickplatz lag direkt am Weg, sodass wir hin und wieder Gesellschaft bekamen. Auch Hans-Jakob und später Katrin hielten sich für einen kurzen Plausch bei uns auf. Die beiden sahen wir den ganzen Tag erneut bei der einen oder anderen Rast.

    In Barbadelo kamen wir am frühen Nachmittag an und hatten großes Glück. Wir bekamen gerade noch die letzten beiden freien Betten in einer privaten Herberge. Die städtische war schon komplett ausgebucht. Sollte sich das bewahrheiten, was ich in meinem Führer gelesen hatte? Ab Sarria waren es nur noch hundert Kilometer bis Santiago. Um die Compostela, die Pilgerurkunde, zu bekommen, musste man nur diese letzten Kilometer zu Fuß gelaufen sein. Deshalb sollte es auf dieser Strecke sehr voll werden. Zum ersten Mal erlebte ich in der Casa de Carmen, unserer Herberge, mit, wie eine Pilgerin weggeschickt werden musste, weil kein Platz mehr frei war. Sie war völlig entkräftet und die nächste Übernachtungsmöglichkeit war erst nach weiteren sechs Kilometern gegeben. Doch unser Herbergsvater hatte ein Herz, er organisierte ein Bett in der Nachbarschaft.
    In dem Zimmer, in

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