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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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liegen gelassen, da er sie nicht einmal benötigt hatte und Gewicht sparen wollte. Wie immer freuten wir uns beide sehr über das Wiedersehen. Bei einem Bier auf der Veranda des Refugio tauschten wir uns über die Tage aus, in denen wir uns nicht gesehen hatten. León war eine Woche zuvor unsere letzte gemeinsame Station gewesen. Wir sprachen über die Wege und Herbergen, die hinter uns lagen, und verglichen unsere Eindrücke. Fragten uns gegenseitig über die anderen Pilger aus: »Wie geht es der kleinen Elisabeth, hast du sie gesehen? Ich schon lange nicht mehr!« Oder: »Bist du Malin und Michael begegnet, hast du mit ihnen gesprochen?« Ich erzählte Hans-Jakob von meinen Selbstreflexionen, welche Veränderungen sich in mir abspielten. Er hörte mir aufmerksam zu und stellte Fragen, die mich nochmals zum Nachdenken brachten. Er hatte so viel Lebenserfahrung. Nach jeder Begegnung mit ihm hatte ich den Eindruck noch klarer zu sehen.

    Eine Trauung sollte an diesem Nachmittag in der kleinen Kirche direkt neben der Herberge stattfinden. Hans-Jakob und ich saßen auf der Veranda wie in der ersten Reihe bei einem Theaterstück, wir konnten die Ankunft der Hochzeitsgesellschaft aus nächster Nähe betrachten. Dies war schon die zweite Hochzeit, die ich auf dem Weg mit erlebte. Wie immer musste ich in solchen Momenten an meine eigene Hochzeit denken. Sie war damals wunderschön und ich war überglücklich gewesen, fest davon überzeugt mit dem Mann an meiner Seite alt zu werden. Leider war es anders gekommen. Wir beide hatten lernen müssen, dass grenzenlose Liebe nicht ausreicht, wenn die ständige Reibung aufgrund von sehr unterschiedlichen Sichtweisen und Lebenseinstellungen die Liebe und Zuneigung aufzehrt. Angesichts der wiederkehrenden Bilder wurde ich traurig und wehmütig. Gu war auch in meinen Gedanken. Würden wir irgendwann heiraten? Gab es ein zweites Mal für mich? Diesmal wirklich »bis dass der Tod euch scheidet«? Meine Sehnsucht nach Partnerschaft und Familie war da und ließ sich nicht beiseiteschieben. Mit Hans-Jakob entspann sich darüber eine eingehende Unterhaltung. Er ließ mich an den Erfahrungen mit seiner Familie teilhaben.
    Wir beschlossen später, gemeinsam in der Dorfkneipe zu Abend zu essen, und den Tag bei einem guten Essen und einem leckeren Glas Rotwein ausklingen zu lassen. Vorher besichtigten wir die Kirche, die Hochzeitsgesellschaft war schon lange wieder ausgeflogen. Die deutsche Pilgergesellschaft Ultreya hatte 2004 neben dem zur Herberge umfunktionierten Pfarrhaus auch die Iglesia de San Andrés renoviert. Sie stand der Gemeinde nach wie vor zur Verfügung. Im 18. Jahrhundert war sie erbaut worden, sie war schlicht gehalten und wirkte auf mich freundlich und hell. Echte Kerzen am Opferstock, keine elektrischen kleinen Lichter standen hier zur Verfügung. Ich fühlte mich auf Anhieb wohl und schlüpfte in eine der Bänke, um zu beten und meinen Gedanken nachzugehen. Nach La Faba zu kommen, war eine gute Entscheidung gewesen. Es war keine klare, überzeugte Entscheidung meinerseits gewesen. Zum Teil - so mein Eindruck -war ich hierher gelenkt worden.
     
     

27. und 28. Pilgertag, 18.-19. Juni 2006
    La Faba - Triacastela - Barbadelo/OMosteiro
     
    Der Cebreiro-Pass lag an diesem Tag auf meinem Weg nach Triacastela. Von La Faba aus hatte ich einen steilen Aufstieg zu bewältigen. Es galt, über 400 Höhenmeter zu überwinden. Die Grenzmarkierung zwischen den Provinzen Castilla y León und Galicien war ebenfalls auf meinem Weg. Von dort aus waren es dann nur noch knapp 150 Kilometer bis nach Santiago de Compostela, der Hauptstadt von Galicien, die letzte Provinz, die ich zu durchqueren hatte. Man bezeichnet Galicien als eine wenig typische spanische Region. Von vielen wird sie als geheimnisvoll empfunden, denn uralte Kulturen haben viele sichtbare Zeichen hinterlassen, vor allem die Kelten waren prägend. So ist die Sprache der Einheimischen, das Galego, in Wort und Schrift noch weit verbreitet. Aus dieser romanischen Sprache hat sich das Portugiesische entwickelt. Die Musik erinnert stark an die irischen Volksweisen, es gibt auch einen galicischen Dudelsack. Für mich war das ganz befremdlich, Dudelsäcke gehörten für mich bisher immer zu Schottland und bei Spanien dachte ich bis dahin an heiße Gitarrenrhythmen und Flamencoklänge. Die Menschen leben neben dem Wallfahrtstourismus von der Land- und Viehwirtschaft, an der Küste von der Fischerei. Industrielandschaften habe ich nicht

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