Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela
meinen Erinnerungen ist, ist nicht möglich, denn das Zusammenspiel der Elemente Sonne, Wind und Erde bot viele einzigartige Bilder. So schlängelte sich der Weg bei meinem Abstieg nach Triacastela malerisch vor mir her, gegenüber lagen die Kuppen der Berge. Sie waren nicht mehr grün, sondern in ein drohendes schwarzes Licht getaucht, da sich am Himmel Wolken auftürmten. Am Ende des Weges lag eine breite und hohe Ginsterhecke, die sich in ihrem satten Gelb wirkungsvoll gegen das Schwarz abhob. Ein anderes Mal leuchtete eine Wiese in tiefem Violett in der Nachmittagssonne, Disteln in voller Blüte hatten sich über das Gras ausgebreitet. Dann beeindruckte mich eine über hundertjährige Kastanie mit ineinander verschlungenen Ästen, die am Wegrand stand.
Im Weiler Hospital da Condesa wurde ich durch das helle Glockengeläut der kleinen Kirche angelockt. Im Inneren waren zwei Frauen damit beschäftigt, die Kirche für eine Messe vorzubereiten. Sie stellten Blumen auf und richteten den Altar her. Ich setzte mich, sah ihnen zu und hing dabei meinen Gedanken nach. Kurze Zeit später sprach mich eine der Frauen an, zunächst versuchte sie es auf Spanisch, dann wechselte sie ins Englische. Sie fragte mich regelrecht aus, trotzdem fand ich es nicht unangenehm, da sie wirklich interessiert schien. »Woher kommst du? Wie lange bist du schon unterwegs? Wo bist du gestartet? Warum bist du allein unterwegs? Warum bist du auf dem Camino?«, wollte sie wissen. Ich gab auf alle Fragen geduldig Auskunft. Zum Teil mit Hilfe von Dagmar, die ganz gut spanisch sprechen konnte. Sie war durch die weit geöffneten Pforten neugierig geworden und ebenfalls eingetreten. Dagmar und ich waren uns schon einige Male über den Weg gelaufen. Sie stammt aus Münster, lebt aber schon seit mehr als 25 Jahren in Kanada. Die spanische Frau, Maria war ihr Name, war herzlich und sehr gastfreundlich. Sie schenkte mir (Dagmar war inzwischen wieder gegangen) ein Textblatt mit einer kleinen Geschichte über eine Frau auf dem Camino mit den Worten: »Dem Geist dieser Frau folgst du auch.« Sie wollte unbedingt noch ein Foto mit mir vor dem Altar. Ich musste das Versprechen abgeben, es ihr später zu schicken. Als der Priester eintraf, stellte sie mich vor, daraufhin wurde ich von ihm mit zwei Wangenküssen begrüßt und mit einem Kreuzzeichen gesegnet. Ich verabschiedete mich, denn die Messe war eine Totenfeier und da wollte ich nicht stören.
Erst hinter der nächsten Wegbiegung las ich deshalb den Text in aller Ruhe. Er war sehr berührend.
»A woman on the camino«
Mary, with the happy news of the life of God in her heart, while she is walking, searches for the future that God offers her.
In a time shaken by great changes, she let herself guided by the spirit. She has a faith that moves mountains and that faith is expressed in simple service.
Her path is missionary. She shortens the distance in order to serve others. She walks with contemplative rhythm allowing her rumination and contemplations to soak in her heart, in the same way as abundant water that falls from the clouds soak into the earth.
For her to walk is to enter the time and the rhythm of God.
She crosses villages, hamlets... The road offers her new opportunities to live her universal vocation. The road is a journey towards her own.
She risks being her intuitive core.
Stage after stage she goes gathering the new gifts from God.
She walks vitality, with agility, open, flexible...
Ich verstand auf Anhieb nicht alles, aber das, was ich verstand, sprach mich an. Passagen wie »sie hat ein Vertrauen, das Berge versetzt«, »sie wanderte in einem besinnlichen Rhythmus, der es erlaubte, dass sie nachsinnen konnte und ihre Betrachtungen in ihr Herz einziehen konnten«, oder »die Straße öffnete ihr neue Möglichkeiten ihre Berufung zu leben«, sprachen das aus, was mich in den letzten Monaten geleitet hatte oder ich mir auch wünschte. Ich hatte Vertrauen, aber es war oftmals nicht so groß, dass ich damit Berge versetzen konnte. Zwischendurch verlor ich immer wieder den besinnlichen Rhythmus, der es erlaubte, ganz bei mir zu sein. Möglichkeiten hatten sich schon einige gezeigt. Würden sie mir es auch ermöglichen, meine Berufung zu leben? Sie musste ich doch erst einmal finden. Der Text war gut, er machte Mut.
In Triacastela angekommen, hatte ich den Eindruck in einer Pilgerhochburg zu sein. Es gab vier Herbergen, die über 180 Pilgern Platz boten. Entsprechend prägten
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