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Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela

Titel: Karriere oder Jakobsweg? Wegezeit - Wendezeit. Mein Weg nach Santiago De Compostela Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Dankbar
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bahnen. Nach gut eineinhalb Stunden hatte ich den kleinen Weiler Morgade erreicht, am Wegrand lag ein sehr uriges Hostal in typisch galicischer Bauweise. Ich beschloss, dort zu frühstücken und trat ein. Zu meiner Überraschung saßen dort Dagmar und die drei Sachsen. Gerd war nach wie vor mit seinem Fahrrad, das er Hulda getauft hatte, unterwegs und blieb trotz schnellerer Geschwindigkeit bei Ramona und Wolfgang. Alle hatten hier übernachtet. Fast eine Dreiviertelstunde blieb ich bei den anderen in der gemütlichen Stube. Als ich wieder aufbrechen und meinen am Eingang abgestellten Rucksack schultern wollte, sah ich die Bescherung. Eine riesige Pfütze hatte sich um ihn gebildet, er stand mitten im Wasser. Von unten war er bereits komplett feucht, besser gesagt nass. Die Verschlusskappe des Schlauches meines Trinksystems war irgendwie abgegangen und zu allem Unglück war das Trinkventil unter den Rucksack geraten. Durch den entstandenen Druck auf das Ventil war fast die Hälfte meines Wasservorrates, mehr als ein Liter, ausgelaufen. Zunächst tröstete ich mich damit, dass der Rucksack nur von außen nass war, doch später beim Wandern bemerkte ich, wie ein kleines Rinnsal kontinuierlich aus dem Boden des Rucksacks tropfte. Mittlerweile war die Sonne herausgekommen und der Rucksack hätte schon wieder trockener sein müssen. Ich schaute daher nach und musste zu meinem Entsetzen feststellen, dass mein Schlafsack völlig durchnässt war. Mehr als eine Viertelstunde war ich damit beschäftigt, den Schlafsack auszuwringen. Minke, eine Holländerin, die ich am Tag zuvor kurz kennengelernt hatte, half mir noch dabei, bevor sie mich wieder verließ. Was sollte ich nur machen? Der Schlafsack musste bis zum Abend wieder trocken sein. Ich konnte ihn unmöglich so nass wieder zusammenrollen. Ich fasste den Entschluss, ihn über den Rucksack nach rechts und links hinunterhängend auszubreiten. Das funktionierte auch ganz gut, abgesehen davon, dass damit eine ungünstige Gewichtsverlagerung stattfand. Jetzt türmte sich die Hauptlast auf meinen Schultern. Von hinten musste ich zudem aussehen wie ein hin und herschwankendes Kamel mit Lastentaschen auf jeder Seite. Das Gehen war nun wesentlich anstrengender, zumal es weiter bergab ging. Irgendwann machte sich mein großer rechter Zeh bemerkbar. Er stieß laufend gegen die Schuhinnenwand. Als ich viel zu spät auf die Idee kam, die Sohle aus dem Schuh zu nehmen, war mein Zehennagel schon blau unterlaufen. Ich konnte es nicht fassen, vorher hatte ich keine Probleme gehabt und nun das innerhalb einer Stunde. Den Nagel habe ich später verloren, er löste sich nach meiner Rückkehr vom Jakobsweg nach und nach ganz ab. Der nasse Rucksack bewirkte eine Art Kettenreaktion. Da ich beim Wandern nun instinktiv versuchte, meinen rechten Fuß zu entlasten, lief ich mir durch die höhere Belastung des linken Fußes dort eine dicke Blase. Das wiederum führte dazu, dass mein Hüftgelenk überstrapaziert wurde und sich irgendwann auch deutlich bemerkbar machte. Das alles reichte mir offenbar nicht, ich sollte mich an diesem Tag noch weiter fordern. Erst nach 35 Kilometern sollte ich in Ligonde die Tagesstrecke beenden. Im Nachhinein ein Wahnsinn, pure Unvernunft, nie zuvor war ich eine so lange Strecke gelaufen, noch dazu mit meinen ganzen Blessuren. Steffi, die kleine Schweizerin, hatte mir den Floh mit Ligonde ins Ohr gesetzt. Aber alles der Reihe nach:
    Portomarín, eine in den 60er Jahren neu aufgebaute Stadt, lag am späten Vormittag vor mir. Das alte Portomarín hatte dem Bau des Stausees weichen müssen und lag nun versunken im See. Einzig die zwei Kirchen der Stadt waren Stein für Stein abgetragen und wieder neu aufgebaut worden. Ich hatte noch die Brücke über den Stausee zu überqueren. Am anderen Ende der Brücke führte auf der gegenüberliegenden Seite der Straße eine breite, sehr hohe Treppe in die Stadt hinauf. Auf den obersten Treppenstufen saß jemand, der etwas leuchtend Türkises trug. Je näher ich kam, desto sicherer war ich, es war Steffi. Ich freute mich sehr, denn mit ihr hatte ich nicht mehr gerechnet. Hatte sie wieder einen Tag Pause gemacht oder war sie sogar kleinere Etappen gelaufen? Nichts von all dem traf zu, das »verrückte Huhn« war wieder umgekehrt. Sie hatte am Tag zuvor in Ligonde übernachtet und beschlossen, zurückzulaufen, um die Menschen wiederzusehen, die ihr auf dem Weg wichtig geworden waren. Sie hatte vor allem Katrin und mich wiedersehen

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