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Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire

Titel: Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Houellebecq
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Marke Hermès – ein großes blaues Spiralheft.
    »Nein, das hat sich nicht geändert«,
sagte sie lächelnd zu Jed. »Immer noch kein elektronischer Assistent … Aber ich
habe mich trotzdem ein bisschen der Moderne angepasst.« Sie zog einen USB -Stick aus einer
Innentasche ihrer Lederjacke. »Darauf befinden sich alle gescannten Artikel
über deine Michelin-Ausstellung. Das kann uns sehr helfen.« Franz nickte und
warf ihr einen ungläubigen, beeindruckten Blick zu.
    Sie lehnte sich auf ihrem Sitz zurück
und reckte sich. »Ich habe versucht, ein bisschen zu verfolgen, was du in der
Zwischenzeit gemacht hast«, sagte sie zu Jed – sie duzte ihn jetzt, auch das
war neu. »Ich finde, du hast gut daran getan, nicht schon früher eine
Ausstellung zu machen, die meisten Kritiker hätten große Mühe gehabt, die Wende
in deiner Arbeit nachzuvollziehen – ich spreche nicht mal von Pépita
Bourguignon, die hat sowieso nie etwas von deiner Arbeit begriffen.«
    Sie zündete sich ein Zigarillo an –
schon wieder etwas Neues –, ehe sie fortfuhr. »Da du keine Ausstellung hattest,
brauchten sie auch keine Artikel zu schreiben. Und wenn sie heute eine positive
Kritik äußern, haben sie nicht den Eindruck, sich selbst zu verleugnen. Aber
eines ist richtig, da bin ich mit euch einverstanden: Wir müssen versuchen,
sofort die angelsächsischen Zeitschriften als Zielgruppe anzuvisieren, und da
kann uns der Name Houellebecq helfen. Was für eine Auflage habt ihr für den
Katalog vorgesehen?«
    »Fünfhundert Exemplare«, sagte Franz.
    »Das reicht nicht, lass tausend
drucken. Ich brauche schon allein dreihundert Presseexemplare. Und wir
genehmigen die Wiedergabe von Auszügen, selbst wenn es sich um lange Auszüge
handelt, und zwar fast überall; ihr müsst das mit Houellebecq oder Samuelson,
seinem Agenten, absprechen, damit sie uns in dieser Hinsicht keine
Schwierigkeiten machen. Franz hat mir die Geschichte mit dem Porträt von
Houellebecq erzählt. Das ist wirklich eine sehr gute Idee. Außerdem ist das zum
Zeitpunkt der Ausstellung dann dein jüngstes Werk, das ist ausgezeichnet. Das
gibt der Sache noch einen zusätzlichen Schub, davon bin ich überzeugt.«
    »Die Frau hat echt was drauf«,
bemerkte Franz, nachdem sie fort war. »Ich kannte sie vom Hörensagen, aber ich
habe nie mit ihr zusammengearbeitet.«
    »Sie hat sich ganz schön verändert«,
sagte Jed. »In privater Hinsicht, meine ich. Beruflich dagegen überhaupt nicht.
Aber trotzdem ist es beeindruckend, in welchem Maße die Leute ihr Leben in zwei
Teile teilen können, zwischen denen keinerlei Verbindung besteht und die sich
gegenseitig in keiner Weise beeinflussen. Ich finde es unglaublich, dass ihnen
das so gut gelingt.«
    »Ja, du hast dich viel mit der Arbeit
… mit den Berufen der Leute beschäftigt«, nahm Franz das Gespräch wieder auf,
sobald sie im Bistro Chez Claude saßen. »Viel mehr als alle anderen Künstler, die ich
kenne.«
    »Was definiert einen Menschen? Welches
ist die erste Frage, die man einem Menschen stellt, wenn man sich nach seinem Zustand
erkundigen will? In manchen Gesellschaften fragt man ihn zunächst, ob er
verheiratet ist und ob er Kinder hat; in unseren Gesellschaften fragt man ihn
als Erstes nach seinem Beruf. Den westlichen Menschen definiert vor allem seine
Stelle im Produktionsprozess und nicht die im Fortpflanzungsprozess.«
    Franz leerte nachdenklich sein
Weinglas in kleinen Schlucken. »Ich hoffe, dass Houellebecq ein gutes Vorwort
schreibt«, sagte er schließlich. »Für uns steht sehr viel auf dem Spiel, weißt du?
Es ist sehr schwierig, eine so radikale künstlerische Entwicklung wie deine bei
den Kritikern durchzupauken. Dabei haben wir in der bildenden Kunst noch
ziemliches Glück. In der Literatur und in der Musik ist es schlichtweg
unmöglich, die Richtung zu ändern, da kann man sicher sein, dass man von der Kritik
gelyncht wird. Andererseits – wenn du immer dasselbe machst, wirft man dir vor,
dass du dich auf dem absteigenden Ast befindest, aber wenn du was Neues machst,
dann wirft man dir vor, dass du dich verzettelst und inkonsequent bist. Ich
weiß, dass es in deinem Fall einen Sinn hat, dass du in dem Moment zur Malerei
zurückgekehrt bist, in dem du dich der Darstellung von Menschen zugewandt hast.
Ich bin nicht imstande zu sagen, welchen, und du wahrscheinlich auch nicht;
aber ich weiß, dass es nicht unbegründet ist. Aber das ist nur eine Intuition,
und um Artikel zu bekommen, reicht das nicht, da

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