Karte und Gebiet - Houellebecq, M: Karte und Gebiet - La carte et le territoire
bis auf die Pflanzen.
»Ich bin gern bereit, das Vorwort zum
Katalog Ihrer Ausstellung zu schreiben«, fuhr Houellebecq fort. »Aber sind Sie
sicher, dass es auch für Sie eine sinnvolle Idee ist? Wissen Sie, die
französischen Medien hassen mich auf unvorstellbare Weise, es vergeht nicht
eine Woche, ohne dass mir irgendein Blatt einen reinwürgt.«
»Ich weiß, ich habe im Internet nachgesehen,
ehe ich hergekommen bin.«
»Befürchten Sie nicht, in die
Schusslinie zu geraten, wenn Ihre Arbeit mit meinem Namen in Verbindung
gebracht wird?«
»Ich habe mit meinem Galeristen
darüber gesprochen, er meint, das sei unwichtig. Wir streben mit dieser
Ausstellung gar nicht so sehr den französischen Markt an. Es gibt derzeit sowieso
kaum noch französische Käufer für zeitgenössische Kunst.«
»Und wer sind dann die Käufer?«
»Die Amerikaner. Das ist seit zwei
oder drei Jahren die neue Tendenz, die Amerikaner kaufen wieder Bilder, und die
Engländer auch ein bisschen. Aber vor allem die Chinesen und die Russen.«
Houellebecq blickte ihn an, als
wiege er das Für und Wider ab. »Na gut, wenn man nach den Chinesen und Russen
geht, dann haben Sie vielleicht recht …«, erwiderte er. »Entschuldigen Sie«,
fügte er hinzu, während er unvermittelt aufstand, »ich muss jetzt erst mal eine
Zigarette rauchen, ohne Tabak kann ich nicht nachdenken.«
Er ging auf den Parkplatz und kehrte
fünf Minuten später zurück, als der Ober gerade das Essen brachte. Er machte
sich voller Begeisterung über sein Lamm-Biryani her, warf aber einen
argwöhnischen Blick auf Jeds Gericht. »Ich bin sicher, dass die Ihre Lammkeule
mit Minzsoße übergossen haben«, erklärte er. »Dagegen lässt sich nichts machen,
das ist der englische Einfluss. Dabei haben die Engländer auch Pakistan
kolonisiert. Aber hier ist das noch schlimmer, hier haben sie sich mit den
Einheimischen vermischt.« Die Zigarette hatte ihm offensichtlich gut getan.
»Diese Ausstellung ist für Sie sehr wichtig, oder?«, fuhr er fort.
»Ja, sehr. Seit ich die Serie der Berufe begonnen habe, habe
ich den Eindruck, dass niemand mehr versteht, worauf ich hinauswill. Unter dem
Vorwand, dass ich auf Leinwand male und darüber hinaus Ölfarben verwende, was
vor längerer Zeit aus der Mode gekommen ist, werde ich immer einer Art Bewegung
zugeordnet, die die Rückkehr zur Malerei propagiert, dabei kenne ich diese
Typen gar nicht und fühle mich ihnen in keiner Weise verbunden.«
»Gibt es gerade eine Rückkehr zur
Malerei?«
»Mehr oder weniger, zumindest ist das
eine der aktuellen Tendenzen. Rückkehr zur Malerei oder zur Bildhauerei, jedenfalls
eine Rückkehr zum Gegenstand. Aber meiner Meinung nach hat das vor allem
kommerzielle Gründe. Ein Gegenstand ist leichter zu lagern und zu verkaufen als
eine Installation oder eine Performance. Ehrlich gesagt habe ich nie eine
Performance geschaffen, aber ich habe den Eindruck, dass mein Ansatz damit
etwas gemein hat. Ich versuche, von Bild zu Bild einen künstlichen,
symbolischen Raum zu schaffen, in dem ich Situationen darstellen kann, die
einen Sinn für die Gemeinschaft haben.«
»Das versucht in gewisser Weise auch
das Theater. Allerdings mit dem Unterschied, dass bei Ihnen keine Fixierung auf
den Körper zu spüren ist … Ich muss im Übrigen zugeben, dass ich das recht
erholsam finde.«
»Richtig, aber diese Fixierung auf den
Körper kommt auch allmählich aus der Mode. Zwar noch nicht im Theater, aber bereits
in der visuellen Kunst. Was ich mache, ist auf jeden Fall ausschließlich im
sozialen Bereich angesiedelt.«
»Gut, ich verstehe … Ich sehe in etwa,
was ich daraus machen kann. Wann brauchen Sie den Text?«
»Die Ausstellungseröffnung soll im Mai
stattfinden, wir brauchen das Vorwort für den Katalog daher Ende März. Sie
haben also zwei Monate Zeit.«
»Das ist nicht sehr viel.«
»Der Text braucht nicht sehr lang zu
sein. Fünf oder zehn Seiten reichen völlig. Wenn Sie mehr schreiben wollen,
können Sie das natürlich tun.«
»Ich werd’s versuchen … Ich bin
schließlich selbst schuld, ich hätte früher auf Ihre E-Mails antworten sollen.«
»Als Honorar haben wir, wie ich Ihnen
schon gesagt hatte, zehntausend Euro vorgesehen. Franz, mein Galerist, hat mir
gesagt, ich könne Ihnen stattdessen auch ein Gemälde anbieten, aber ich finde
das etwas peinlich, weil es für Sie ziemlich delikat wäre, das abzulehnen.
Sagen wir also besser zehntausend Euro; wenn Sie aber lieber ein Gemälde
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