Karwoche
Tür hinter sich zu schließen. »Welcher Art ist denn eure Beziehung? Du verstehst, was ich meine.«
»Dieter!« Katharina gab Henry ein Zeichen, dass er sich nicht provozieren lassen sollte.
»Jetzt mach dir nicht ins Hemd«, röhrte Dieter. »Ich finde, so was klärt man gleich am Anfang. Dann gibt’s keine Missverständnisse.«
»Bei Adrian hast du ja auch nie gefragt.«
»Bei dem war’s klar. Die Mädels hast du nach Weihnachten nie wieder gesehen. Aber er …«, Dieter deutete mit dem Kopf auf seinen Sohn, »… er hat doch noch nie eine mitgebracht. Wie sollen wir da wissen, woran wir sind?«
»Was genau willst du wissen?« Henry klang gereizt.
»Ob du extra Bettzeug für die Couch brauchst. Ist doch nicht so schwer zu verstehen.«
Henry lachte peinlich berührt in Richtung Jennifer. »Wir kommen klar. Danke der Nachfrage.«
»Ihr könnt euch von mir aus die Seele aus dem Leib vögeln«, rief Dieter ihnen hinterher. »Ich will nur nichts davon mitkriegen, okay?«
Katharina schloss die Tür. »Das war nicht nett dem Mädchen gegenüber. Sie ist ohnehin ein bisschen gehemmt. Und dann kommst du noch.«
»Wollt ihr sie in dem Glauben lassen, sie kriegt einen netten Schwiegervater?«
Katharina stellte sich hinter die Chaiselongue und streichelte Dieters Brust. »Die kriegt schon selber raus, wie du bist. Und so schlimm, wie du gern wärst, bist du bei weitem nicht.« Katharina war immer noch heiß, und sie schwitzte am Haaransatz nach. Ihre Wangen waren leicht gerötet. Sie stand deshalb lieber hinter Dieter. Andererseits – er würde sowieso nichts merken. Ein Mann, der sich dreißig Jahre lang betrügen ließ, wollte nichts merken.
Ende der achtziger Jahre hatte Katharina die alte Landhausvilla über dem Schliersee gekauft. Vor dem Ersten Weltkrieg war sie im Besitz eines zu seiner Zeit bekannten Münchner Kunstmalers gewesen. Das Gebäude war von dem damaligen Stararchitekten Gabriel von Seidl auf dem Grundstück eines alten landwirtschaftlichen Anwesens errichtet worden. Von dem früheren Hof hatte er den alten Pferdestall stehen lassen und zum Atelier umfunktioniert. Das Haus wurde von den Einheimischen das »Millruth-Schlössl« genannt.
Henry saß bei Katharina in der Küche und schnitt Zwiebeln für das Mittagessen. Er hatte Jennifer nach der derben Begrüßung durch Dieter beruhigen müssen und ihr erklärt, dass sein Vater kein schlechter Mensch sei, ein wenig kauzig zwar, der aber das Herz am rechten Fleck trage. Jennifer hatte ihre Zweifel an dieser Darstellung. Dennoch hatte Henry sie Dieter überlassen, um mit Katharina alleine reden zu können. Dieter erzählte Jennifer inzwischen Geschichten aus seinem Schauspielerleben, von denen Henry hoffte, dass sie nicht mit schlüpfrigen Details gespickt waren.
»Sehr nettes Mädchen«, sagte Katharina. »Bist du glücklich mit ihr?«
»Ich kenne sie erst seit vier Wochen.«
»Aber du bringst sie schon mit.«
»Jennifer hatte keine Lust, zu ihren Eltern zu fahren. Die streiten an Weihnachten immer. Ist doch in Ordnung, dass ich sie mitgebracht habe?«
»Aber natürlich. Du weißt, in unserem Haus ist jeder willkommen.«
Henry schnitt die Zwiebel auf dem Holzbrettchen vor ihm in winzige Würfel. Eine Zeitlang konzentrierte er sich auf diese Tätigkeit und sagte nichts. Auch seine Mutter schwieg. Schließlich legte er das Messer zur Seite. »Warum fragt eigentlich keiner, was Jennifer macht?«
Katharina wich Henrys Blick aus und wirkte ertappt. »Ich beurteile Leute nicht danach, was sie von Beruf sind«, sagte sie und widmete sich dem Fleisch auf dem Herd.
»Ach so. Ich dachte schon, ihr hättet Angst zu hören, dass sie Krankenschwester ist.« Henry fuhr fort, die Zwiebel zu sezieren.
»Komm, lass mich das machen. Sonst wird das heute nichts mehr mit dem Gulasch.« Katharina nahm Henry das Zwiebelbrettchen weg. »Ich habe nichts gegen Krankenschwestern. Wie kommst du darauf?«
»Du findest aber auch nicht, dass es ein großartiger Beruf ist, oder?«
»Doch, es ist ein großartiger Beruf. Ich bewundere jeden, der es macht. Und wenn sie ein nettes Mädchen ist, ist es doch egal, was sie für einen Beruf hat. Warum musst du immer alles so kompliziert machen?«
»Ich möchte nicht, dass ihr …« Er stockte.
»Dass wir was?«
»Dass ihr sie eure Geringschätzung spüren lasst.«
Katharina ging zu ihrem Sohn, nahm ihn in den Arm und gab ihm einen Kuss. »Sei nicht so dumm. Ich mag die Kleine. Und wenn du sie liebst, dann
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