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Karwoche

Karwoche

Titel: Karwoche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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anständiger Beruf sein? Leuten den Bauch aufschlitzen? Krankenkassen betrügen und sich von der Pharmaindustrie schmieren lassen?«
    »Du hast aber ein schlechtes Bild vom Arztberuf.«
    »Merkt man das?« Dieter ließ seine von Altersflecken übersäten Hände über den Schnittchen kreisen. Jennifer überlegte, was sie sagen sollte. Offenbar war sie jetzt dran.
    »Ich hoffe, deine Meinung von Krankenschwestern ist ein bisschen besser.«
    »Absolut. Wer schmiert schon Krankenschwestern – und vor allem wozu?«
    Jennifer lachte scheu, wenngleich sie den Subtext verstanden hatte.
    »Ich würde dir gerne eine etwas heikle Frage stellen. Aber du darfst mich nicht bei meiner Frau verpetzen.«
    Jennifer hatte Bedenken. Sie hatte sich bereits am Nachmittag Dieters schlüpfrige Theatergeschichten anhören müssen. »Ist es was Privates?«
    »Nein. Was Berufliches.«
    »Dann kann’s ja nicht so schlimm sein. Was willst du denn wissen?«
    Dieter hatte drei Tartarschnittchen und einen Berg Lachs auf seinen Teller geladen. Er sah verstohlen zu Katharina, die immer noch mit Adrian redete. Er rückte eng an Jennifer heran und reckte ihr konspirativ den Kopf entgegen. Sie musste sich leicht nach vorn beugen, um die Vertraulichkeit des Gesprächs zu gewährleisten, denn Dieter war einen halben Kopf kleiner als sie. »Wenn ihr einen Patienten mit zwei eingegipsten Armen habt, so dass der nicht mehr an seinen Schniedel rankommt, geht ihr dem mal zur Hand?«
    »Wie?«
    »Na, ob ihr ihm einen runterholt?« Dieter biss von einem Schnittchen ab.
    Jennifer blieb kurz die Luft weg. »Glauben die Leute, dass wir das machen?«
    »Weiß nicht. Denk schon. Jedenfalls träumen Männer von so was. Mich interessiert ja nur, ob da was dran ist.«
    »Nein! Um Gottes willen. Das machen wir nicht.«
    »Wieso nicht? Ihr wischt den Kerlen doch auch den Arsch ab. Mal ganz ehrlich, was findest du ekliger?«
    Jennifer starrte auf das Wiener Würstchen auf ihrem Teller und wusste nicht, ob sie auf die Frage antworten sollte.
     
    »Na, wenigstens hat sich dein Vater erbarmt, mit dem Mädchen zu reden. Ich glaube, sie kann mit uns nicht viel anfangen.« Katharina und Adrian sahen zum Buffet, an dem Dieter auf Jennifer einredete.
    »Ist mir, offen gesagt, ein Rätsel, weshalb Henry sie mitgebracht hat«, sagte Adrian leise.
    »Ich finde es ein bisschen unangenehm, wenn du an Weihnachten jemanden da hast und man sieht, dass er sich nicht wohl fühlt. Irgendwie hat dann jeder das Gefühl, er wär dafür verantwortlich.«
    »War das bei meinen Mädels auch so?«
    »Nein. Ich bitte dich! Das waren Schauspielerinnen und Studentinnen. Mit denen konnte man reden. Ich verstehe nicht, warum du mit keiner von ihnen zusammengeblieben bist. Die Letzte war wirklich nett. Wie hieß sie noch?«
    »Berrit.«
    »Berrit! Norwegisch, oder?«
    »Ja. Norwegisch.« Er zog seine Mutter an sich und küsste sie auf die Schläfe. »Noch habe ich keine gefunden, die auch nur annähernd an dich heranreichen würde.«
    »Du alter Charmeur.« Sie nahm seine Hand. »Weißt du, was mich wirklich freut?«
    »Was?«
    »Dass dich Annegret am Volkstheater angenommen hat.«
    »Mal sehen, was draus wird.«
    »Nein nein nein nein. Das ist der Ritterschlag. Annegret machst du nichts vor. Die Frau ist kalt und unbestechlich. Wir waren damals zusammen an der Folkwangschule, wie du weißt.«
    »Hast du mal gesagt.«
    »Also, wenn diese alte Hexe findet, dass du gut bist, dann bist du verdammt gut. Und das hat nichts damit zu tun, dass du Millruth heißt. Das hast du dir ganz und gar selbst verdient.« Sie drückte ihren Sohn an sich, und er erwiderte ihre Umarmung. Katharina sah nicht, dass ein Schatten über Adrians Gesicht huschte.
    »Was ist eigentlich mit Leni los?«, fragte er, als sie sich aus der Umarmung gelöst hatten.
    »Ich weiß es nicht. Henry sagt, sie hätte vor irgendetwas Angst.«
    »Ah ja?«, sagte Adrian und sah sich suchend im Raum um.
    »Was meinst du mit
ah ja

    »Nichts. Ich … ich hab nur das Gefühl, dass heute noch irgendetwas Unangenehmes passiert.«
    »Hast du jetzt auch schon diffuse Ängste?«
    »Meine Ängste sind ziemlich konkret. Leni ist eine Zeitbombe. Und ich fürchte, sie geht heute hoch.«
    »Macht ihr euch Sorgen wegen mir?« Leni war wie aus dem Nichts aufgetaucht.
    »Oh, da steckst du«, sagte Adrian.
    »Ich hör euch schon eine Weile beim Flüstern zu. Es macht den Eindruck, als würdet ihr über Anwesende schlecht reden.«
    »Komm, Leni, beruhige

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