Karwoche
mit sich herumzutragen. Es drängte sie, jemandem von dem, was sie gesehen hatte, zu erzählen. Aber es gab niemanden, mit dem sie guten Gewissens darüber hätte reden können.
»Versprichst du mir, dass du damit nicht zur Polizei gehst?«
»Oh! Das klingt ja interessanter, als ich zu hoffen wagte. Warum willst du die Millruths schützen?«
»Das kann ich dir nicht sagen. Aber ich habe Gründe.«
Hanna Lohwerk verstand und lächelte. Jennifer war eine wie sie. Der Kontakt würde sich lohnen. »Keine Polizei. Versprochen.«
Kapitel 34
A ls Jennifer mit ihrer Erzählung zu Ende war, stocherte Hanna Lohwerk nachdenklich in den Resten ihrer Sachertorte und sagte wie nebenbei: »Wie viel haben sie dir gegeben?«
»Zwanzigtausend.«
Hanna Lohwerk lachte. »Ein Taschengeld.«
»Ich hab genommen, was sie mir angeboten haben. War das zu wenig?«
»Überleg mal, worum es geht. Katharina Millruth hat Millionen. Ich hab mal gelesen, dass sie dreihunderttausend pro Film kriegt. Und die dreht einige im Jahr.«
»Mir ist das egal. Die Sache ist abgeschlossen. Ich will nichts mehr damit zu tun haben.«
Hanna Lohwerk schob den letzten Bissen Torte in den Mund. »Das Problem ist«, sagte sie kauend, »dass da zwar viel geredet wurde, aber man kann nichts beweisen. Es wäre kein Problem für die Millruths, alles abzustreiten. Und da kann man sich ausrechnen, wem die Polizei glaubt.«
»Ich sagte doch: Ich will nicht, dass die Polizei ins Spiel gebracht wird.«
»Keine Angst, wird sie nicht. Aber stell dir vor, sie zahlen uns … eine Million. Für jeden von uns eine halbe.«
Jennifer zuckte die Schultern, wurde aber nachdenklich.
»Eine halbe Million! Dann musst du keinen Arzt mehr heiraten. Und wenn du es trotzdem tust, wird keiner hinter deinem Rücken sagen: Guck mal, die hat sich den reichen Sack geangelt. Dann bist
du
die gute Partie. Und sie werden dir alle in den Arsch kriechen.«
Hanna Lohwerk hatte Jennifer ins Herz getroffen. Sie hatte recht. Vielleicht würde Jennifer einen anderen Arzt finden. Aber würde es ihr mit dessen Familie besser ergehen als bei den Millruths? Niemand würde sie mit offenen Armen als Schwiegertochter empfangen. Alle würden davon ausgehen, dass sich die Krankenschwester aus dem Hasenbergl nach oben schlafen wollte.
»Überleg mal! Gibt es außer dem Gerede nicht irgendeinen konkreten Beweis? Einen Zeugen oder so was?« Hanna Lohwerk war jetzt sicher, dass sie die junge Frau am Haken hatte.
»Nicht dass ich wüsste. Das Einzige …« Jennifer dachte nach, überprüfte ihre Erinnerung.
»Das Einzige …?«
»Sie hat die ganze Zeit ein Plüschtier gesucht. Ein rosa Lamm. Im Speicher, im Keller. Das Haus ist ziemlich groß.«
»Hat sie gesagt, warum?«
»Ich hab sie gefragt, warum sie nach all den Jahren jetzt unbedingt ihr Plüschlamm wiederhaben will. Sie hat gesagt, ich würde es verstehen, wenn die Zeit gekommen sei. Mit diesem Lamm ließe sich ihr ganzes Leben erklären.«
»Aha. Das klingt ja sehr seltsam.«
»Henry hat gesagt, sie war schon immer etwas … wie nennt man das …?«
»Dramatisch veranlagt.«
»Ja genau.«
»Das war sie. Aber sie hat keinen Unsinn geredet. Irgendwas wird schon dahinter gewesen sein. Wenn ich das richtig verstehe, hat sie das Lamm nicht gefunden.«
»Nein. Aber sie hatte eine Idee, wo es sein könnte.«
Jennifer zögerte. Hanna Lohwerk wartete.
»Als Leni acht Jahre alt war, gab es in der Familie ein Au-pair-Mädchen aus Bulgarien.«
»Rumänien.«
»Stimmt. Rumänien. Sofia, oder?«
Hanna Lohwerk nickte.
»Und der hat sie das Lamm offenbar zum Abschied geschenkt. Leni ist das eingefallen, nachdem sie es nirgends finden konnte.«
Hanna Lohwerk atmete tief durch und drehte nachdenklich am Henkel ihrer Kaffeetasse. »Sofia Popescu. Das kleine Luder hat dieses Plüschlamm?«
»Vielleicht.«
»Wusste Leni, wo Sofia heute lebt?«
»Nein. Sie wollte sich auf die Suche machen. Aber das war am Tag vor ihrem Tod. Ich glaube nicht, dass sie weit gekommen ist.«
»Weiß sonst jemand in der Familie, dass das Lamm in Rumänien ist?«
»Ich glaube, Leni hat nur mit mir darüber geredet. Also ich vermute das, weil sie so ein Geheimnis darum gemacht hat.«
»Wir werden es herausfinden.«
»Was hast du vor?«
»Mit Sofia Kontakt aufnehmen. Ich will das Lamm.«
»Und was willst du damit? Ich meine, selbst wenn es noch existiert – was kann ein zerzaustes, altes Plüschtier schon beweisen?«
»Wenn es für Leni so wichtig war, dann
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