Karwoche
musste sich nicht umdrehen. Eine Wolke aus Alkohol, Zwiebel und Knoblauch umwaberte ihn. Johann Lintinger hatte zu den Polizisten aufgeschlossen. In diesem Augenblick plumpste ein Metallwürfel aus der Schrottpresse. »Das ist jetzt wahrscheinlich schwer zu sagen, ob der das war?«
»Sehr witzig«, sagte Kreuthner. »Wo habt ihr die Kiste her? Mehr will ich gar net wissen.«
Lintinger betrachtete angestrengt den Metallwürfel. »Es ist, wie gesagt, schwer zu erkennen, welcher Wagen das war. Aber wir bekommen die Fahrzeuge eigentlich nur ordnungsgemäß von den jeweiligen Eigentümern.«
»Du magst mich heut irgendwie provozieren, oder?«
»Geh Kreuthner, wie kannst denn so was sagen! Da tät ich mich ja der Sünd’n fürchten.«
»Tatsächlich. Dann lüg mich halt net so ausg’schamt an. Wie seids ihr an den Wagen gekommen?«
»Ganz legal. Was willst denn hören?«
»Gut. Fragen wir mal so: Hast du irgendeine Idee, wo das Auto gestanden haben könnt, bevor es – ganz legal – hierhergekommen ist?«
»Da könnt ich jetzt nur Vermutungen äußern.«
»Ist mir wurscht.«
»Ach, da fällt mir ein: Krieg ich net noch a Kohle für den Passat?«
»Ha?«
»Doch doch. Mir ham g’sagt an Hunderter extra, weil ich die breiten Felgen draufgelassen hab. Die wären ja normal gar net dabei gewesen.«
»Und ich hab g’sagt, das verrechnen mir mit der Kohle, wo mir der Harry vom letzten Schafkopf schuldet.«
»Das hast
du
g’sagt. Mir ist des doch wurscht, was dir der Harry schuldet.«
»Nein nein. So geht des net. Ich hab auch an Zeugen. Der Sennleitner. Letzte Woch im Mautner. Da ham mir das ab’gmacht.«
»Der Sennleitner! Der hat doch noch an bessern Rausch im G’sicht g’habt wie du.«
»Zeuge is Zeuge.«
Lintinger zog eine weinerliche Miene. »Ah, so is des! Na gut. Dann verrechne’s halt.«
»Na geht doch. Und was war jetzt mit dem Wagen?«
Lintinger sagte nichts, verschränkte die Arme vor der Brust und ließ seinen Blick beleidigt über den Schrottplatz wandern.
»Herrgott!«, fluchte Kreuthner. »Du bist a so a Zicke!« Er zog seinen Geldbeutel hervor und fingerte einen Fünfziger und zwei Zehner heraus. »Du Beni, hast du dreiß’g Euro einstecken?«
»Keine Ahnung.«
»Dann schau nach!«
Schartauer hatte nur zwanzig im Portemonnaie. Kreuthner nahm sie ihm aus der Hand und gab Lintinger die neunzig Euro. Der zählte die Scheine durch. »Jetzt mach bloß keinen Aufstand wegen die zehn Euro!«
Lintinger steckte das Geld in die Latztasche seiner Arbeitshose. »Lass amal überlegen«, begann er nachdenklich und stützte seinen Kopf in die rechte Hand, »wo so ein Wagen umeinandsteh kannt.«
Kapitel 32
A n Heiligabend gab es ein Buffet bei den Millruths. Das war schon immer so gewesen. Katharina mochte die Weihnachtspartys in Amerika. Das Millruthsche Weihnachten war ein Kompromiss aus Stehparty und deutscher Weihnacht. Es gab viel Fisch in allen Variationen, die sich für ein Buffet eigneten, aber auch Wiener Würstchen, Schnittchen mit Tartar und seit einigen Jahren Austern.
Jennifer stand allein vor dem Buffet und tat, als würde sie sich einen Überblick über das Angebot verschaffen. Mit Fisch konnte sie nicht viel anfangen, auch nicht mit rohem Fleisch. Blieben nur die Wiener. Seit einer Viertelstunde hatte niemand mit ihr geredet. Die anderen waren in Gespräche vertieft, die sich um die Familie, das Theater oder die Jagd drehten. Zu keinem der drei Themen konnte Jennifer etwas beitragen. Nachdem er sie vorhin angeflirtet hatte, war auch Adrian weggegangen und redete nun leise mit seiner Mutter. Jennifer hatte den Eindruck, dass es um sie ging. Henry fachsimpelte mit Wolfgang und Dieter über Jagdgewehre und sah gelegentlich mit besorgter Miene zu Jennifer. Sie tat, als bemerke sie seinen Blick nicht. Ihr war zum Heulen. Sie war dazu verdammt, dieses ganze verfluchte Weihnachten mit Menschen zu verbringen, die auf sie herabschauten. Jennifer legte ein Paar Wiener auf ihren Teller und fragte sich, ob es als unmäßig angesehen wurde, dass sie sich zwei Würstchen auf einmal auftat.
»Du bist Krankenschwester, hab ich gehört.« Dieter war zum Buffet getreten, um seinen Teller mit Tartar-Schnittchen und Lachs zu bestücken.
»Ja, das stimmt. Henry und ich arbeiten auf der gleichen Station.«
»Ist mal ein anständiger Beruf. Kennen wir sonst gar nicht in unserer Gauklersippe.« Eine gewisse Verachtung für anständige Berufe klang durch.
»Henry ist doch Arzt.«
»Soll das ein
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