Kaspar - Die Reise nach Feuerland (German Edition)
vormachen, Sebastian, dafür kenne ich dich schon zu lange«, rügte Großvater ihn. »Ist es wegen deinem Vater?«
Sebastian schaute zu Boden.
»Also, wegen deinem Vater«, stellte Großvater Joe fest. »Mir ist es ja nicht entgangen, wie ihr euch heute verabschiedet habt«, erklärte Großvater, »sieh mich an, Sebastian!«
Sebastian hob den Blick.
»Ich habe recht, stimmt's, Sebastian?«, sagte Großvater.
Sebastian nickte schweigend.
»Worüber habt ihr euch denn gestritten?«, wollte Großvater wissen.
»Wir streiten uns dauernd«, fing Sebastian an, und dann sagte er mit finsterer Miene: »Immerzu muss ich lernen und wenn ich im Garten spielen will, verbietet mir mein Vater das – meistens. Süßigkeiten gibt es nur an Feiertagen – und die sind selten, wie du sicherlich weißt, Großvater. Wenn ich Löcher im Garten grabe, bekomme ich Stubenarrest von meinem Vater aufgebrummt.«
»Löcher im Garten hat nicht jeder gern, Sebastian«, lächelte Großvater, »aber das ist natürlich keine Entschuldigung dafür, dass dein Vater dir Stubenarrest gibt, wenn du sie gräbst«, versuchte er ernst zu bleiben.
»Das Schlimmste ist jedoch, dass mein Vater dauernd etwas an mir auszusetzen hat. Meinem Bruder lässt er alles durchgehen. Ich habe das Gefühl, dass er ihn mehr liebt als mich. Wenn mein Bruder mal etwas anstellt, sagt mein Vater nichts – mir dagegen droht er mit Stubenarrest. Meinem Bruder hört er immer aufmerksam zu – zu mir sagt er immer bloß: RUHE!«, erzählte Sebastian mit trauriger Stimme.
Sebastian und Großvater sahen sich für einen Moment schweigsam an.
»Lass den Kopf nicht hängen, Sebastian. Das kriegen wir schon wieder hin – dass mit deinem Vater und dir«, sagte Großvater und legte ihm kurz den Arm auf die Schulter. »Ganz bestimmt kriegen wir das wieder hin, Sebastian, du wirst sehen.«
Sebastian wandte den Blick von Großvater ab. Er sah zu, wie seine Freunde spielten. Niko war mit wenigen Schritten wieder bei Lars und hielt ihn mit einem Stock in Schach, der ein Schwert darstellen sollte. Noch hatte Niko sich zurückgehalten, doch nun trat er einen Schritt vor und zückte sein Schwert, dass er quer über dem Rücken trug.
»Willst du mit deinen Freunden spielen?«, fragte Großvater.
Sebastian schüttelte den Kopf.
»Ich habe doch die besten Freunde der Welt«, fing Sebastian an. »Oder siehst du das anders, Großvater?«
»Es gibt nichts, was ich an deinen Freunden auszusetzen hätte.«
»Ehrlich nicht?«
»Nein. Wie kommst du denn darauf, Sebastian? Hat dein Vater etwa ...«
»Nicht mein Vater«, unterbrach Sebastian, »aber Herr Henry Titus.«
»Dein Mathelehrer?«, stutzte Großvater.
Sebastian nickte.
»Was hat er denn zu dir gesagt?«
»Er meinte, dass Niko und Lars kein guter Umgang für mich wären, und ihm ist rätselhaft, warum Juana sich mit den beiden abgibt. Dann hat Herr Titus noch etwas gesagt, aber ich habe ihm nicht weiter zugehört.«
»Ich glaube, da sollte deine Mutter mal ein Wörtchen mit Herrn Titus reden«, schüttelte Großvater den Kopf. »Das geht ja nicht, dass Herr Titus dir so etwas sagt.«
Sebastian schüttete sein Herz weiter aus, und Großvater Joe hörte ihm geduldig zu.
»Ich finde, dass Niko ein guter Freund ist, Großvater. Er hat immer gute Sprüche auf Lager, über die alle lachen müssen – na ja, manchmal sind sie etwas derbe, das muss ich zugeben, Großvater, und besonders deftige Sprüche lässt er los, wenn er sich über Herrn Titus lustig macht. Ob er Niko deswegen nicht leiden kann?«, Sebastian holte kurz Luft, bevor er fortfuhr: »Aber auf Niko kann man sich immer verlassen, und wenn eine Situation brenzlig wird, lässt er einen nicht im Stich. Was meinst du dazu, Großvater?«
Großvater hob die Schultern.
»Also, meiner Meinung nach ist Niko ganz in Ordnung. Er ist ein bisschen wüst und redselig, und seine Sprüche sind manchmal etwas ausgefallen«, lächelte Großvater, »aber das ist noch lange kein Grund, dass er ein schlechter Umgang für dich wäre. Und warum, denkst du, hat Herr Titus etwas gegen Lars?«
»Das weiß ich auch nicht, Großvater. Lars und Niko albern oft zusammen herum – vielleicht ist es das, was den Lehrer stört? Aber Lars tut keiner Fliege etwas zu Leide, und das im wahrsten Sinne des Wortes«, schmunzelte Sebastian.
Großvater horchte.
»Niko ärgert sich oft über die dämlichen Fliegen, wenn sie im Sommer um seinen Kopf herum surren. Dann schlägt er nach ihnen, und Lars
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