Kaspar - Die Reise nach Feuerland (German Edition)
erbarmungslos braten wollte. Eine flache Graslandschaft lag vor ihnen, die sich bis zu den Bergen ausdehnte.
»Dort in den Bergen liegt Kanau.« Shan deutete nach vorn.
»Zur Mittagszeit werden wir aber nicht dort sein«, stellte Lars fest.
»Was macht das schon?« Sebastian hob die Schulter. »Eine Stunde mehr oder weniger, das ist doch völlig egal, Lars. Schau dir die schöne Landschaft an.«
»Eine Stunde mehr oder weniger, das ist doch völlig egal«, äffte Niko Sebastian nach.
»Hör nicht auf das, was er sagt, Shan«, Sebastian lächelte leicht, »wenn Niko hungrig wird, ist er meist unausstehlich.«
Shan lachte.
»Ja, das kenne ich«, sagte er und wandte sich Niko zu, »mein Halbbruder Diahrhöö hat die gleichen Eigenschaften wie du.«
Niko lächelte Shan zu. Sein Lächeln schlug in Lachen um.
»Dein Bruder heißt Diarrhö«, sagte Niko laut lachend.
»Diahrhöö«, betonte Shan.
Sebastian fiel es schwer, eine ausdruckslose Miene zu bewahren.
»Hab ich doch gesagt.« Niko lachte immer noch und stupste Lars freundschaftlich an. »Diarrhö.«
Lars fing an zu grinsen, bevor er Tränen lachte.
»Ihr seid wirklich albern, Jungs«, ermahnte Juana die beiden.
»Was ist denn so komisch an dem Namen?«, fragte Shan.
Juana wurde rot. »Ach, nichts«, winkte sie ab.
»Diarrhö«, wiederholte Niko ernst, und Lars lachte laut.
»In meiner Wel...« Juana schwieg kurz. »In meinem Land bedeutet es so viel, wie einen schlechten Tag haben.«
»Einen schlechten Tag haben.« Nikos Lachen schallte über das Grasland. »Das ist wirklich gut, Juana«, lachte Niko und Lars tat es ihm nach.
»Einen schlechten Tag haben«, wiederholte Lars.
»Egal, was 'Diahrhöö' in eurem Land auch bedeuten mag«, wandte Shan sich wieder Sebastian zu, »wenn es die miese Laune von Niko aufhebt ist es gut so.«
»Wenn ich 'Durchfall' heißen würde, dann ...«, flüsterte Niko Lars zu, und Juana fuhr ihn lehrerhaft streng an: »Sei endlich still, Niko!«
»Wohnt Diahrhöö auch bei deiner Großmutter?«, fragte Sebastian.
»Ja, aber er ist vor vier Sonnentagen nach Xantia gereist, Verwandte besuchen. Er wird erst beim nächsten Vollmond wieder heimkehren.«
»Verzeih mir, Juana«, wandte Shan sich ihr zu, »dass ich erst jetzt daran denke. Wenn es dir zu anstrengend wird, kann ich dich das letzte Stück nach Kanau fliegen.«
Juana blinzelte, als überraschte es sie, von Shan angesprochen zu werden. Ihre strahlend grünen Augen, so groß und zart wie die eines jungen Rehs, blickten Sebastian kurz an, bevor sie sich an Shan wandte: »Ich werde laufen, Shan – danke für dein Angebot.«
»Das hätte dir aber auch früher einfallen können Adler-Junge«, sagte Niko barsch. »Du hättest uns alle, einen nach dem anderen, nach Kanau fliegen können.«
»Niko!« Juana war empört. »Beherrsch dich gefälligst!«
Lars zog die Augenbrauen zusammen. »Da hat Niko doch recht, Juana.«
»'tschuldigung, Shan«, gab Niko klein bei. »Ich habe das nicht so gemeint, wie es vielleicht rübergekommen ist.«
»Schon gut, Niko«, winkte Shan ab. »Mach dir mal keine Gedanken darüber, ich bin nicht nachtragend.«,
Es war nicht mehr weit, bis zur hohen, schroffen Gebirgskette, wo die Siedlung Kanau lag. Kleine Steine knirschten unter Sebastians Schuhen, als sie die Graslandschaft verließen.
»Kanau werden wir bald erreichen.« Shan deutete nach rechts.
»Und das alles ohne Schuhe«, sagte Niko kopfschüttelnd, als es auch unter seinen Füßen an zu knirschen fing.
Eine Ansiedlung von kleinen, bunten Häusern schmiegte sich den Berg hinauf. Kleine Wege schlängelten sich von Haus zu Haus.
»Das ist aber schön idyllisch hier«, schwärmte Juana.
Die Sonne spiegelte sich in den bunten Fenstern, die keine geraden sondern wellenförmige Fensterrahmen besaßen. Rauch stieg aus vielen runden, trichterförmigen Steinkaminen auf, die wie übergroße Flüstertüten wirkten.
»Essenszeit«, sagte Shan, »jetzt wird überall gekocht.«
»Klasse!«, freute es Niko.
»Eigenartige Konstruktion«, sagte Juana.
»He?«, kam es von Niko.
»Die Kamine.« Juana deutete auf die Dächer.
»Ja, sehen ein bisschen komisch aus«, stellte Lars fest.
»Was sind das für Kugeln am Wegrand?«, fragte Sebastian, als sie die Siedlung betraten.
In gleichmäßigem Abstand steckten am Wegrand Pfähle, auf denen jeweils eine runde Kugel lag, die rötlich schimmerte.
»Sie laden sich tagsüber in der Sonne auf und leuchten uns nachts den Weg«, erklärte
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