Kassandra Verschwörung
Nachttischlampe und knipste sie an. Es war Dominique, in einem pinken Schlafshirt, das ihr, so wie sie dasaß, gerade bis übers Knie reichte.
»Was ist los?«, fragte er. Er dachte nach. Die Tür war abgeschlossen gewesen. Also musste sie ihre Dietriche mitgebracht haben. Dann sah er auf seine Uhr. Es war Viertel nach eins.
»Ich konnte nicht schlafen«, sagte sie. Sie stand auf, tappte barfuß zu dem einzigen Stuhl im Zimmer und setzte sich hin, die Knie zusammengepresst, das Schlafshirt dazwischengeklemmt. »Ich dachte, wir könnten über Bandorff reden.«
»Wir haben doch schon über ihn geredet.« Barclay setzte sich auf, stopfte sich ein Kissen in den Rücken und lehnte sich an das Kopfende des Betts.
»Ich weiß, aber ich bin...«
»Nervös? Ich auch.«
»Ehrlich?«
Er lachte. »Ja. Ehrlich.«
Sie lächelte und starrte dabei auf den Teppich. »Keine Ahnung, ob mir das hilft, mich besser zu fühlen.«
»Machen Sie sich keine Sorgen, Dominique. Es ist, wie Sie sagten, entweder finden wir etwas heraus oder nicht. Oder ist es meinetwegen? Machen Sie sich Sorgen, dass meine Vorgesetzten dahinterkommen könnten? Ich mache mir deshalb keine Sorgen«, log er, »also ist es albern, wenn Sie sich welche machen.«
»Albern?«
»Na ja, nein, nicht albern. Ich meine, es ist sehr... Ich freue mich natürlich, dass Sie sich Sorgen um mich machen, aber das müssen Sie nicht.«
Sie kam an die Seite des Betts und kniete sich hin. Barclay verlagerte sein Gewicht unter der Bettdecke; irgendwie war ihm unbehaglich zumute. Sie starrte ihn an.
»Michael«, begann sie, »da ist etwas, was ich Ihnen sagen möchte.« Sie hielt inne. Der Zauber schien zu brechen, sie wandte ihren Blick ab. »Ach was«, sagte sie, »morgen ist früh genug.« Sie stand auf. »Tut mir leid, dass ich Sie geweckt habe.« Sie lächelte wieder, beugte sich zu ihm hinab und drückte ihm einen Kuss auf die Stirn. »Versuchen Sie zu schlafen.« Nach dem Blick, den er gerade unter ihr Nachtshirt erhascht hatte, bezweifelte er, dass er würde schlafen können.
Dann tappte sie zur Tür und war verschwunden. Einfach so. Barclay verharrte einige Minuten reglos, bis er schließlich im Bett ein wenig höher rutschte, die Knie anzog, seine Arme darauf legte, die Zimmertür anstarrte und sich sehnlichst wünschte, Dominique möge durch sie zurückkommen. Doch sie kam nicht. Schließlich glitt er wieder unter die Decke und knipste das Licht aus. Vor seinem geistigen Auge irrlichterten geschmeidige, schemenhafte Körper und Brüste unterschiedlichster Größen und Formen. Seine Stirn kribbelte an der Stelle, an der sie ihn geküsst hatte. Als er dann endlich einschlief, begannen schon die Vögel zu zwitschern.
Sonntag, 14. Juni
Im Queen-Elizabeth-II-Konferenzzentrum fand ein großes Treffen statt. In der Innenstadt Londons hielten sich außer den Touristen, den Sicherheitsleuten und einigen der zweitausendfünfhundert Medienvertreter, die über den Gipfel berichten würden, nur wenige Menschen auf. Vor dem Treffen war ein Fototermin anberaumt, der dem Innenminister recht willkommen zu sein schien. Jonathan Barker befand sich erst seit knapp einem Jahr im Amt; seine politische Karriere war eher beschaulich verlaufen als kometenhaft. Gleich zu Beginn seiner Amtszeit hatte er ein paar stürmische Monate erlebt, in denen nach mehreren Gefängnisausbrüchen, einem Terroranschlag und einem Polizeiskandal wiederholt sein Rücktritt verlangt worden war. Doch im Moment konnte er wenig falsch machen. Seine zweite Frau, Marion, war zwei Monate zuvor gestorben. Sie hatte sich unermüdlich für wohltätige Zwecke, vor allem solche für Kinder, eingesetzt, wie in den Nachrufen betont wurde. Es war so, als ob ein wenig von ihrem Glanz auch auf ihren gut aussehenden Witwer gefallen wäre.
Während Elder beobachtete, wie der Fototermin seinen Verlauf nahm, lächelte er. Nur in einem Nachruf war Marions exzentrischere Seite angesprochen worden, ihr Glaube an Spiritismus. Und niemand hatte erwähnt, dass sie, als Barker noch mit seiner ersten Frau verheiratet gewesen war, bei ihm als Sekretärin gearbeitet hatte. Zu der Zeit waren ein paar Gerüchte aufgekommen. Dann war Barkers erste Frau gestorben, und ganz allmählich hatten Marion und Jonathan angefangen, sich gemeinsam in der Öffentlichkeit zu zeigen.
Zu einem Skandal war das Ganze nicht ausgeartet, und doch hatte es Barkers politischen Aufstieg gebremst. Darüber musste Elder nachdenken, während er den Innenminister
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