Kassandra Verschwörung
lächeln sah, diesmal bei der Begrüßung eines Würdenträgers. Sie standen in Reih und Glied außerhalb des Kamerawinkels, all diese Leute – ausschließlich Männer -, die noch darauf warteten, fotografiert zu werden. Sie zupften an ihrer Kleidung herum oder ihre Krawatten zurecht und strichen sich eine Haarsträhne hinters Ohr. Ein Assistent gab ihnen Anweisungen und schickte sie nach vorn, wenn sie an der Reihe waren. Und das alles für ein halbes Dutzend Fotografen. Die Medien waren nicht wirklich interessiert, noch nicht. Das richtige Getümmel würde erst nach dem Beginn des Gipfels losbrechen. Dies war der Tag der Generalprobe und letzter Checks. Aus dem Grund stand heute der Innenminister im Rampenlicht: um in aller Öffentlichkeit die Sicherheitsvorkehrungen zu loben.
»Vielen Dank, meine Herren«, sagte der Assistent schließlich an die Fotografen gewandt, die sich bereits abgewandt hatten, Filme zurückspulten und sich in Gruppen miteinander unterhielten. Elder stand in einer anderen Gruppe, nämlich der der Sicherheitschefs. Darunter Trilling, der sich flüsternd mit einem Amerikaner unterhielt. Außerdem zwei Deutsche, ein großer, eleganter Franzose, ein Kanadier und viele andere... eine Art Vereinter Nationen der Geheimdienstagenten und Polizisten. Elder war mit allen bekanntgemacht worden, aber für ihn stellten sie nur Namen dar. Sie waren ihm einfach nur im Weg.
Andererseits hatte er hier eigentlich gar nichts zu suchen. Joyce hatte ihn bloß geschickt, weil so kurzfristig niemand anders verfügbar gewesen war. Ihr Wutausbruch am Abend zuvor war nur durch die Ankunft ihres Chauffeurs gezügelt worden. Sie hatte ihm unmissverständlich die Meinung gesagt. Er, Elder, habe »unter keinen Umständen« mit Barclay zu reden. Überhaupt, er habe gar nichts zu unternehmen. Und dann war ihr dieses Treffen eingefallen …
Der Innenminister näherte sich und strich sich im Gehen das Haar zurück. Der Assistent sagte etwas zu ihm, doch Jonathan Barker schien gar nicht zuzuhören. Er streckte Trilling eine Hand hin.
»Commander, schön, Sie zu sehen.« Sie schüttelten einander die Hände. Barker lächelte und bedachte Elder mit einem angedeuteten Nicken, als ob er sagen wollte: »Ich kenne Sie«, obwohl er in Wahrheit nicht einmal wusste, welcher Nationalität Elder war.
»Mr. Elder«, stellte der Assistent vor. »Er ist in Vertretung von Mrs. Parry hier.«
»Aha«, sagte Barker, nickte und runzelte gleichzeitig die Stirn. »Ihre Abwesenheit ist mir schon aufgefallen.« Sein Ton klang in Elders Ohren leicht unheilverkündend.
»Mrs. Parry lässt sich entschuldigen«, sagte Elder. »Ihr ist gestern Abend in allerletzter Minute etwas dazwischengekommen, etwas sehr Wichtiges.«
Barker machte den Eindruck, als ob er etwas dazu sagen wollte, aber er wurde bereits mit dem Kanadier bekanntgemacht, dann mit den Deutschen... Eins musste Elder dem Assistenten lassen: Er kannte sämtliche Namen und Gesichter. Neben sich hörte er Genuschel des Pfefferminzbonbons lutschenden Trilling.
»Was führt Joyce im Schilde?«
»Keine Ahnung.«
»Barker klang nicht gerade erfreut.«
Elder nickte. Er selbst war auch nicht gerade in Bestlaune. Wenn Barker einen Streit vom Zaun brechen wollte, sollte es ihm recht sein. Er hatte eine schlaflose Nacht hinter sich; neben seinem Telefon hatte ein Zettel gelegen, auf dem die Telefonnummer Barclays in Deutschland stand. Joyce hatte ihn gewarnt, auf keinen Fall mit Barclay in Verbindung zu treten. Und hatte Barclay sich das alles nicht selbst eingebrockt? Elder hatte darum gebeten, ihm keine Anrufe auf sein Zimmer durchzustellen.
Doch heute Morgen war er schwach geworden. Er hatte im Gasthof Zum Hirschen angerufen und erfahren, dass Herr Barclay bereits ausgecheckt hatte. Tja, so viel dazu.
»Wenn Sie mir bitte hier entlang folgen wollen, meine Herren«, sagte der Innenminister und übernahm die Führung. Das gegenseitige Bekanntmachen war vorüber, und sie befanden sich auf dem Weg ins Konferenzzentrum.
»Erste Station«, erklärte der Innenminister, »die Durchleuchtungsanlage.« Sie hatten vor einem Durchgang angehalten, dessen Seiten aus dickem Metall bestanden und in grellem Orange angestrichen waren. Zu beiden Seiten waren jeweils zwei Sicherheitsleute postiert. Dies war der Beginn des Rundgangs, der, vom Innenminister angeführt, allen Anwesenden zeigen sollte, dass die Sicherheitsvorkehrungen mehr als angemessen waren. Elder glaubte, ja wusste, dass sie mehr als
Weitere Kostenlose Bücher