Kassandra Verschwörung
gesagt hätte.
Sie hatte erwogen, ihn unter Schutz zu stellen. Immerhin war er die einzige Person, die bisher unmissverständlich und direkt von der Hexe bedroht worden war. Aber Dominic hätte einem Leibwächter nicht zugestimmt. Außerdem arbeitete er ja schon mit zwei Leibwächtern zusammen – mit Doyle und Greenleaf. Trotzdem hatte sie Trilling angerufen und ihn gebeten mit seinen Männern zu reden und ihnen nahezulegen, ein Auge auf Elder zu haben, damit ihm nichts passierte. Trilling hatte sich verständnisvoll gezeigt und sie auf dem Laufenden gehalten.
Zu viele Spuren, und möglicherweise allesamt falsch. Anstatt Klarheit zu gewinnen, wurde die Sache immer verwirrender. Das war nicht der Weg, der Joyce lag. Im Schlafzimmer klingelte das Telefon. Vielleicht Barclay mit einem weiteren seiner viel zu vagen Berichte. Oder Dominic, um ihr mitzuteilen, dass es eine neue Spur gab und er das Essen leider absagen müsse. Sie setzte sich auf die Bettkante und nahm den Hörer ab.
»Joyce Parry am Apparat.«
Sie hörte zu und runzelte die Stirn. Dann zog sie sich die Decke über den Schoß, als ob ihre Nacktheit ihr auf einmal peinlich wäre.
»Was?«, fragte sie. Sie hörte erneut zu. »Ich verstehe«, sagte sie. »Ja, ich habe voll und ganz verstanden. Danke.« Doch das Gespräch ging noch eine Weile weiter, bevor sie auflegte.
Eine halbe Stunde später klingelte Dominic an der Tür. Sie trug Reisekleidung und sah nervös und wütend aus, als sie ihm aufmachte. Er strahlte. Sie schluckte, bevor sie etwas sagte.
»Dominic, ich habe versucht, dich anzurufen, aber du warst schon weg. Tut mir leid, aber ich muss heute Abend absagen.«
»Was?« Sie stand in der Tür und hielt sich an der Kante fest. Sie würde ihn nicht einladen hereinzukommen.
»Ich weiß, ich weiß. Aber ich muss woanders hin. Ich habe es erst vor einer halben Stunde erfahren. Es tut mir wirklich leid.«
Er sah wie ein geprügelter Hund aus und starrte die Klingel an, als ob er versuchte, den Sinn dieser Unterhaltung zu begreifen. »Aber... wohin denn bloß? Was ist so wichtig, dass es nicht...«
Sie hob ihre Hand. »Ich verstehe dich ja, glaub mir. Aber das hier kann nicht warten. In zehn Minuten werde ich von einem Wagen abgeholt, und ich habe noch nicht einmal fertig gepackt.«
»Gepackt?«
»Ich bin nur eine Nacht weg.« Eine Pause. »Es geht um Barclay.«
»Was ist mit ihm?«
»Nichts, er ist nur...« Ihre Augen verengten sich. »Sag mir, dass du nichts damit zu tun hast.« Er stand da und schwieg. »Also gut, danke für das Vertrauen.« Sie machte die Tür weit auf. »Komm rein, und erzähl es mir. Erzähl mir alles. «
Der Schnaps vor dem Zubettgehen war vermutlich nicht nötig. Barclay hätte sogar auf Glasscherben geschlafen, und erst recht unter der sauberen, weißen Bettwäsche des Gasthofs Zum Hirschen. Die Fahrt war die reinste Hölle gewesen. Dominique gehörte zu den Leuten, die eine Strecke rasch hinter sich bringen wollen, weshalb sie nur ein paar wenige kurze Pausen eingelegt hatten. Dann hatte der 2CV auch noch einen Platten, und der Ersatzreifen war, wie sich herausstellte, in einem bejammernswerten Zustand. Und als schließlich ein neuer Reifen zu einem horrenden Preis aufgetrieben und montiert war, hatte auf dem Armaturenbrett ein kleines rotes Lämpchen zu blinken begonnen und war trotz aller Versuche Dominiques, es durch wiederholtes Klopfen zum Erlöschen zu bringen, nicht mehr ausgegangen.
»Was ist das?«
»Ein Warnlämpchen«, erwiderte Dominique.
» Wovor warnt es uns?«
»Keine Ahnung. Das Handbuch liegt unter Ihrem Sitz.«
Barclay blätterte es durch, aber sein Französisch reichte nicht aus, um diese Aufgabe zu bewältigen. Also griff Dominique zu ihm herüber und schnappte sich das Buch.
»Bitte schön«, murmelte Barclay, aber sie ignorierte die bissige Bemerkung.
»Es ist das Öl«, erklärte Dominique.
»Dann lassen Sie uns mal nachsehen«, schlug Barclay vor und stieg aus dem Wagen. Doch die Motorhaube ließ sich nicht öffnen, weshalb er auf Dominique warten musste, die es nicht eilig hatte, ihm zu helfen. Der Motor war kleiner als erwartet.
»Haben Sie einen Lappen oder so was in der Art?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Schön.« Er kramte ein Taschentuch aus seiner Hosentasche, zog den Ölmessstab heraus, wischte ihn ab, schob ihn zurück und zog ihn wieder raus. Dominique sah im Handbuch nach.
»Ja«, bemerkte sie. »Der Ölstand ist niedrig.«
»Sozusagen nicht existent.« Seine
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