Kassandra Verschwörung
nicht.«
»Sie persönlich wissen es nicht? Aber jemand anders weiß es? Jemand, der sie seitdem gesehen hat, dann das Foto zu Gesicht bekam und anschließend die Verbindung hergestellt hat. Dieser Jemand müsste der Hexenfindergeneral sein, was?«
Barclay versuchte, sich Elder in dieser Rolle vorzustellen. Sie war ihm wie auf den Leib geschnitten.
»Eins weiß ich über die Frau, die Sie Hexe nennen...«
»Ja?«
»Sie wechselt ihre Loyalitäten.«
»Das ist nun wirklich keine Neuigkeit, Herr Bandorff. Sie hat im Auftrag verschiedener terroristischer Gruppierungen gearbeitet.«
»Es ist trotzdem eines der Dinge, die ich über sie gelernt habe. Es dürfte ihr auch gefallen, einen Decknamen verpasst bekommen zu haben... dass Sie sie ›Hexe‹ nennen. Sie stand immer auf Buchstabenspiele und Kreuzworträtsel.« Er neigte den Kopf zur Seite. »Sie liebte es, im Bett zu liegen und darüber zu brüten... Ach ja, und dann war da noch eine dritte Besonderheit.«
»Nämlich?«
»Sex, Mr. Barclay. Sie mochte keinen Sex. Kein Sex für die Hexe.« Er lächelte.
»Das muss eine Enttäuschung für Sie gewesen sein«, stellte Dominique fest.
»O ja«, bestätigte Bandorff nachdenklich. »Eine schwere Enttäuschung. Aber es war noch schlimmer. Ich hatte das Gefühl, dass sie keine Männer mochte.«
»War sie lesbisch?« Dominique klang skeptisch. Bandorff lachte.
»Nein, nein, ich wollte nur sagen, dass sie Männer hasste. Und nun sagen Sie mir als Frau: Was kann der Grund für Ihren Männerhass gewesen sein?«
»Da kommen mir diverse Gründe in den Sinn«, erwiderte Dominique.
»Mir auch«, sagte Bandorff. »Ob es wohl die gleichen sind? Vielleicht liefert die Psychoanalyse eine Erklärung.«
»Und Sie haben keine Ahnung, woher sie kam?«, fragte Barclay.
»Tja, sie wurde einfach weitergereicht. Ein Aktivist reichte sie an den nächsten weiter... und so fort. Dabei wurde sie jedes Mal ein bisschen radikaler, verschrieb sich der Sache noch mehr. Aber all diese Leute sind nicht mehr dabei. Mit ihrer Hilfe werden Sie ihren Werdegang nicht zurückverfolgen. Das Einzige, was ich weiß, ist, dass sie die Welt verändern wollte. Das hat mir damals gereicht, und ihr auch. Als sie ging, ist sie einfach so verschwunden, ohne Ankündigung. Sie hatte bei ihrer Ankunft kein Gepäck dabei und hat, außer ihren Tarotkarten und ihrem Teddybären, nichts mitgenommen.« Er schwelgte in Erinnerungen. Es widerte Barclay an. »Sie ist ein Mythos geworden, stimmt’s? Wer bin ich, an Mythen zu kratzen?«
Sein Blick wanderte wieder zum Bildschirm. Eine neue Quizsendung war im Begriff, die alte abzulösen. »Ah, das ist meine Lieblingssendung. Bei ihr spielt auch ein Quentchen Glück eine Rolle.«
Barclay stand auf, Dominique tat es ihm gleich. War’s das? War es das gewesen, wofür sie einen so weiten Weg auf sich genommen hatten? Barclay zermarterte sich das Hirn, was er noch sagen könnte. Er wandte sich Dominique zu, die nur nickte. Es war Zeit zu gehen. Doch Barclay hielt inne, griff noch einmal in seine Tasche zog das Foto heraus und legte es schweigend auf den Tisch.
»Danke, Herr Hexenfinder«, sagte Bandorff.
Barclay und Dominique gingen den gleichen Weg zurück, den sie gekommen waren. »Sie waren klasse, Michael«, stellte sie fest. »Haben Sie mir schon vergeben?«
»Was vergeben?«
»Dass ich Sie angelogen... und Ihnen erst hier die Wahrheit gesagt habe.«
Er lächelte. »Sie haben mir einen Riesenschrecken eingejagt, mehr nicht.«
»Und sehen Sie nur, was er bewirkt hat.«
Das stimmte. Irgendetwas hatte ihn elektrisiert. Er hatte Wolf Bandorff tatsächlich befragt und einige Informationen über die Hexe zutage befördert – für sich genommen wertlose Informationen, aber immerhin solche, die dem Dossier hinzugefügt werden konnten.
»Und jetzt?«, fragte er.
»Zurück nach Paris, würde ich sagen. Und anschließend für Sie wohl zurück nach London.«
Er nickte. Es gab nichts, was ihn noch länger auf dem europäischen Festland hielt. Es war Zeit zurückzukehren und zu beichten, dass er in Frankreich nicht viel erreicht hatte. Sie passierten das Büro von Herrn Grunner.
»Sollten wir noch mal bei ihm reinschauen und uns verabschieden?«, fragte Barclay.
»Wahrscheinlich ist er schon nach Hause gegangen«, entgegnete Dominique. Doch im selben Moment ging die Tür auf, und vor ihnen stand Herr Grunner und gab ihnen durch ein Handzeichen zu verstehen, dass er noch etwas von ihnen wollte.
»Wenn Sie so
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