Kassandra Verschwörung
freundlich wären...?« Er hielt die Tür auf und bedeutete ihnen einzutreten. Hinter ihm, vor seinem Schreibtisch, stand ein Mann. Er trug seinen Regenmantel und hatte die Arme verschränkt. Dominique schnappte nach Luft.
»Wer ist das?«, fragte Barclay.
»Nicht mein Vorgesetzter«, erwiderte sie. »Sondern der Chef meines Vorgesetzten.«
Sie traten über die Schwelle, und die Tür fiel mit einem leisen Klick hinter ihnen ins Schloss. Eine Gestalt starrte aus Herrn Grunners regennassem Fenster. Sie drehte sich um und sprach mit einer Stimme, die Barclay erstarren ließ.
»Guten Tag, Mr. Barclay«, sagte Joyce Parry.
Die Rückreise nach London war die unbehaglichste Reise überhaupt in Barclays bisherigem Leben – trotz des Wagens mit Fahrer, obwohl das Flugzeug bereits auf dem Rollfeld bereitstand und trotz des Kaffees und der Kekse, die an Bord gereicht wurden.
»Mein Wagen steht noch in Calais«, erklärte er. »Und in Paris habe ich noch ein paar Kleidungsstücke.«
»Wird alles abgeholt«, entgegnete Parry kühl. Sie hatte ihre Brille auf und blätterte das dicke, umfangreiche Hexen-Dossier durch. Dominic Elders Dossier. Sie schien nicht gerade in Gesprächslaune zu sein, was Barclay umso mehr beunruhigte. In Herrn Grunners Büro war nicht viel gesprochen worden. Dominique war auf Französisch mit ein paar barschen Worten zurechtgewiesen worden und dann dem Vorgesetzten ihres Vorgesetzten aus dem Büro gefolgt, ohne sich auch nur noch einmal nach Barclay umzusehen. Barclay hatte sich für eine ähnliche Behandlung durch Joyce Parry gewappnet.
Sie war ausgeblieben. Sie hatte sich bei Herrn Grunner in fließendem Deutsch bedankt, dann waren sie gegangen. Er hatte beobachtet, wie Dominique in einen großen, schwarzen Citroën gestiegen war, während ihr 2CV von einer offiziell aussehenden Person vom Gefängnisparkplatz gelenkt wurde.
»Kommen Sie«, hatte Parry ihn aufgefordert und ihn zu einem weißen Rover 2000 geführt, in dem ein Fahrer wartete. Er hatte ausgesehen wie ein Botschaftsangehöriger, weshalb Barclay vermutete, dass er vom MI6 war. »Direkt zum Flughafen«, hatte Parry den Mann angewiesen.
»Jawohl, Ma’am«, hatte er erwidert. Barclay hatte einen belustigten Unterton herausgehört, wobei der Anlass der Heiterkeit wohl darin bestand, dass Barclay sich im Gegensatz zu ihm auf eine Abreibung gefasst machen konnte.
»Wie haben Sie es erfahren?«, fragte Barclay Joyce Parry. Er dachte an Dominic Elder. Er hatte am Morgen erneut versucht, ihn anzurufen, doch man hatte ihm mitgeteilt, dass man seinen Anruf nicht durchstellen könne. Zu dem Zeitpunkt hatte er das nicht verstanden. Vielleicht verstand er es jetzt. Parry wandte sich ihm zu.
»Seien Sie nicht albern. Warum sollten wir es nicht erfahren? Anmaßendes Verhalten ist mir schon öfter untergekommen, aber die Nummer, die Sie da abgezogen haben...« Sie atmete geräuschvoll aus. »Wie haben Sie es erfahren?«, äffte sie ihn nach. Sie schüttelte bedächtig den Kopf. Doch als sie den Flughafen erreichten, hatte sie beschlossen, es ihm zu sagen. »Herr Grunner hat sich mit dem BfV in Verbindung gesetzt, das seinerseits mit der DGSE und dem SIS Kontakt aufgenommen hat. Was, glauben Sie, hat der SIS wohl getan?«
»Sich mit Ihnen in Verbindung gesetzt«, antwortete Barclay.
»Sie können sich vielleicht vorstellen, wie überrascht ich war zu hören, dass einer meiner Agenten, der mir erzählt hatte, er sei in Paris, sich in Wahrheit in Deutschland aufhielt. Sie können sich vielleicht auch vorstellen, welche Demütigung es für mich war, mich über Ihren Aufenthaltsort ausgerechnet vom verdammten SIS in Kenntnis setzen lassen zu müssen.«
Ja, dachte Barclay, der MI5 und der SIS – der Secret Intelligence Service, auch als MI6 bekannt – hatten nicht viel füreinander übrig. Die französische DSGE war das Äquivalent des SIS, ein Auslandsgeheimdienst. Die DSGE hatte sich zweifellos mit der DST in Verbindung gesetzt. Dominique musste sich mit Sicherheit genauso zur Schnecke machen lassen wie er. Dominique...
»Sie sind genauso durchtrieben wie der verdammte Dominic Elder«, stellte Parry klar. »Was Sie veranstaltet haben, ist genau die Art dummes Spielchen, das er gespielt hätte.« Sie hielt inne. »Ich weiß, dass er die ganze Zeit mit Ihnen in Kontakt stand. Raus mit der Sprache, hat er sie nach Deutschland geschickt?«
Barclay gab keine Antwort. Es hatte keinen Sinn, sich zu verteidigen. Es war besser, sie ihrem ganzen
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