Kassandra Verschwörung
Polizisten angefordert. Die Stimmung unter den Männern war bestens: Sie würden im Lauf der kommenden sieben Tage jede Menge Überstunden machen und dafür jede Menge Geld einstreichen.
Doch anderswo im Land grenzte die Stimmung an Panik. In einer großen Blumenzucht in Cornwall hatte sich eine Katastrophe ereignet: Kühe hatten tausende blühender Blumen zertrampelt, die zur Dekoration des Konferenzzentrums bestellt worden waren. Man hatte eigens einen »Blumendekorateur« engagiert, der am Montagnachmittag mit der Arbeit beginnen und am späten Montagabend fertig sein sollte. Doch jetzt gab es keine Blumen mehr, mit denen etwas geschmückt werden konnte.
Eine hochrangige Beamtin verbrachte mehrere Stunden damit, unzählige Anrufe zu tätigen, bis sie endlich vier neue Lieferanten ausfindig gemacht hatte. Aber das brachte neue Probleme bezüglich der Sicherheit mit sich: Denn die neuen Firmen brauchten erst Unbedenklichkeitsbescheinigungen, um die Blumen anliefern zu dürfen. Die Beamtin griff erneut zum Telefon.
In einem stickigen, nach viel Arbeit aussehenden Büro in der zweiten Etage eines Gebäudes an der Victoria Street klingelte das Telefon. Judy Clarke nahm ab. Sie war ebenfalls in Panik. Ihre Chefin war noch nicht im Büro eingetroffen, und die Uhr zeigte bereits Viertel nach zehn. Judy hatte nichts von irgendwelchen Bahnstreiks oder U-Bahn-Ausfällen gehört. Andererseits erfuhr man von Betriebsstörungen bei der U-Bahn ja immer erst, nachdem sie eingetreten waren . Doch es passte nicht zu ihrer Chefin. Und es gab so viel zu tun! Sie war ganz außer Atem, als sie den Hörer aufnahm.
»Hallo?«, meldete sie sich.
»Oh, hallo«, sagte die weibliche Stimme am anderen Ende. »Mein Name ist Tessa. Ich bin eine Mitbewohnerin von Chris... Christine Jones.«
»Ja?« Judy wurde das Herz schwer. Sie wusste, was ein Anruf wie dieser bedeutete. Doch dann hellte sich ihre Miene auf. »Ach, Tessa, hallo. Erinnerst du dich an mich? Judy Clarke. Wir haben uns bei Christines Geburtstagsfeier kennengelernt.«
»Judy...? Ach ja, stimmt ja, hallo noch mal, wie geht’s?«
»Ganz gut. Ist Christine krank?«
»Nicht wirklich. Aber sie hat eine schlechte Nachricht erhalten, ein Todesfall.«
»Ach, herrje.«
»In ihrer Familie, eine Tante genauer gesagt. Ich glaube, sie standen sich sehr nahe.«
»Eine Tante? Oje, das tut mir leid.«
»Tja, so etwas passiert...«
»Heißt das, Christine kommt heute nicht zum Dienst?«
»So ist es. Sie ist hingefahren. Aber die Beerdigung findet erst am Mittwoch statt.«
»Erst am Mittwoch! O Gott, ich muss mit ihr reden. Es gibt ein paar Dinge, die müssen...«
»Sie meinte, du würdest schon zurechtkommen.«
»Na ja, vielleicht, aber trotzdem...«
»Soll ich ihr sagen, dass sie dich anrufen soll, wenn sie sich bei mir meldet?«
»Kannst du sie erreichen? Ist sie bei ihrer Mutter in Doncaster? Vielleicht könntest du mir ihre Nummer geben...?«
»Sie hat keine hinterlassen.«
»Aber das passt überhaupt nicht zu...«
»Sie war ein bisschen durch den Wind. Und in Doncaster ist sie sowieso nicht. Die Tante lebte irgendwo in Liverpool.«
»Ach so, verstehe.« Liverpool? Eine Tante in Liverpool hatte Christine nie erwähnt.
»Soll ich ihr ausrichten, dass sie dich anrufen soll?«
»Ja, bitte, Tessa. Ich muss unbedingt über die Dobson-Sache und das MTD-Meeting mit ihr reden.«
»Warte, ich notiere es mir. Dobson...«
»Und das MTD-Meeting. Management Training Directive. Sag ihr einfach MTD, dann weiß sie schon Bescheid.«
»Gut.«
»Und falls sie sich bei dir meldet, richte ihr bitte mein Beileid aus.«
»Mache ich.«
»Ach, und Tessa?«
»Ja?«
»Hast du dir eine Erkältung oder so was Ähnliches eingefangen? Du klingst irgendwie heiser.«
»Müssen die anabolen Steroide sein. Tschüs, Judy.«
»Tschüs, Tessa«, sagte Judy und legte auf. Sie seufzte. Oje! Keine Christine bis Donnerstag. Niemand, der das Schiff die nächsten drei Tage steuern würde. Drei Tage weg wegen eines Todesfalls. Sie fragte sich, was Mrs. Pyle aus der Personalabteilung wohl davon halten würde. Sie fand es schon unakzeptabel, wenn man sich nach einer größeren Operation drei Tage freinahm, geschweige denn wegen einer Beerdigung. Liverpool? Eine Tante in Liverpool? Na ja, irgendwann erwischte es jeden von uns, oder? Vielleicht würde sie heute Abend noch mal bei Christine zu Hause anrufen und Tessa fragen, ob Christine sich bei ihr gemeldet hatte.
Aber vielleicht ließ sie es auch
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