Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kassandra Verschwörung

Titel: Kassandra Verschwörung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: I Rankin
Vom Netzwerk:
gab es eine weitere Tür aus massivem Holz, durch die man in die Bar gelangte. Er drückte den mit einer Zeitautomatik versehenen Lichtschalter, woraufhin das Treppenhaus mit seinen grauen Vinyltapeten im Licht erstrahlte, und hielt inne. Er könnte sich noch einen schnellen Drink in der Bar genehmigen, einen Cognac oder Pastis. Er könnte, würde aber nicht. Durch die Tür hörte er in der Bar ein paar Einheimische herumschreien, die sich aus irgendeinem Grund in den Haaren lagen. Ihre Stimmen hallten im Treppenhaus wider. Es müssten zwei oder drei Männer sein, ansonsten war die Bar leer. Er begann, die Treppe emporzusteigen, doch auf halbem Weg ging das Licht aus.
    Er fand sich nicht in völliger Dunkelheit wieder, denn durch die Rauchglastür unten an der Treppe fiel ein wenig Licht. Auf dem Treppenabsatz musste ein weiterer Lichtschalter sein, direkt neben einer riesigen Topfpflanze und dem gerahmten Bild von einigen anthropomorphen, Pool spielenden Hunden. Er stieg langsam weiter und tastete sich mit einer Hand an der scheußlichen Tapete entlang, die mit ihren rauen, vertikalen Streifen eher einem Teppich glich. Einem jener Teppiche, die einem einen elektrischen Schlag verpassten, wenn man die falschen Schuhe trug. Noch ein kleines Stück die Wand entlang... Irgendwo da musste der Lichtschalter sein..., ja, nur noch …
    Seine Finger drückten auf etwas Warmes, Weiches, Nachgiebiges, nicht auf den Lichtschalter. Es war eine Hand. Er zuckte zusammen und wäre um ein Haar rückwärts die Treppe hinuntergefallen, doch eine andere Hand umfasste seinen Arm und zog ihn hoch. Im selben Moment ging das Licht wieder an. Die Hand, welche die seine berührte, hatte bereits auf dem Lichtschalter gelegen. Vor ihm stand eine junge Frau. Sie war klein, hatte kurzes schwarzes Haar und sehr rote Lippen. Ihr Gesicht sah rund und verschmitzt aus. Sie lächelte schelmisch.
    » Pardon «, sagte sie. Auf Französisch, nicht auf Englisch. Ihr kurzes Auflachen klang wie ein ersticktes Schniefen. Dann quetschte sie sich an ihm vorbei und stieg die Treppe hinab. Sein Blick folgte ihr. Sie trug eine weite dunkelblaue Hose und eine Art Baumwollblouson in Himmelblau. Außerdem Schnürschuhe, ziemlich klobige Dinger. Ihre Finger berührten beim Gehen das Treppengeländer. Als sie unten war, drehte sie sich unerwartet um und ertappte ihn dabei, wie er ihr nachsah. Sie wandte ihm wieder den Rücken zu und öffnete die Tür zur Bar. Die Stimmen dort waren einen Moment lauter zu hören, bis die Tür sich wieder schloss.
    »Herr im Himmel!«, sagte er zu sich, ging unsicher den Flur entlang und wollte gerade seinen Zimmerschlüssel ins Schloss stecken, als das Licht wieder ausging.
    Im Zimmer schmiss er die Tüte mit den Kassetten auf den Boden, setzte sich zuerst auf das federnde Bett, warf sich dann quer darüber, umfasste mit der linken Hand sein rechtes Handgelenk und legte beide Hände so auf die Stirn. Er sollte mit seinem Bericht anfangen, zumindest seine Aufzeichnungen sortieren. Aber er sah immer noch diese Frau vor sich. Warum hatte sie ihn so erschreckt? Nachdem er die Begegnung im Treppenhaus in seinem Kopf ein wenig umarrangiert hatte, sodass er selbst in einem etwas besseren Licht erschien, rang er sich ein Lächeln ab. Na gut, wenigstens hatte er nicht versucht, irgendetwas in seinem unnachahmlichen Französisch zu sagen.
    Er duschte, summte dabei vor sich hin, trocknete sich kräftig ab und legte sich wieder aufs Bett. Nachdem er kurz nachgedacht hatte, langte er unters Bett und zog eine ausgebeulte Aktenmappe aus Pappe hervor, auf der mit fettem Filzstift ein einziges Wort geschrieben stand: Hexe . Sie war ihm weniger als eine halbe Stunde vor seinem Aufbruch zur Ärmelkanalfähre von einem Motorradkurier in seine Londoner Wohnung gebracht worden: ein großer gepolsterter Umschlag. Der behelmte Motorradfahrer sagte: »Bitte hier unterschreiben.« Barclay hatte den Umschlag aufgerissen, ohne zu wissen, was ihn erwartete – mit Sicherheit jedenfalls nicht Dominic Elders umfangreiches, mit akribischer Sorgfalt zusammengetragenes Konvolut über jenen Fall, von dem er besessen zu sein schien. Auf der Klappe mit Eselsohren klebte ein Zettel: »Ich glaube, Sie brauchen das hier dringender als ich. Außerdem kenne ich alles auswendig. Ich melde mich bei Ihnen. Viel Glück. Elder.«
    Das Dossier war aus dem tiefsten Südwales per Motorrad nach London gekarrt worden. Das Honorar des Motorradkuriers musste immens gewesen sein, aber

Weitere Kostenlose Bücher